Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Worte trafen Ricky wie ein Schlag ins Gesicht. Sie waren ihr Beweis genug, dass auch er ihre Beziehung nie besonders ernst genommen hatte. Sie fühlte sich verletzt, gekränkt und zurückgewiesen. Das war bitterer, als sie es sich eingestehen wollte. Zum Glück war Mukesh an ihrer Seite gewesen!
Ricky seufzte und lehnte sich im Fond des Wagens zurück.
» Was betrübt dich, mein Herz?«, fragte Mukesh sofort. » Möchtest du noch eine Erfrischung, bevor wir ins Hotel fahren?« Ricky lächelte ihn warm an. » Ich bin nur so glücklich, dass wir endlich hier sind!«
Mukesh belohnte sie mit seinem strahlenden Lächeln. Er war immer so zuvorkommend. Die letzten Tage in London, in denen sie so unglücklich gewesen war, hatte er immer an ihrer Seite gestanden. Er musste gespürt haben, dass sie unter Valentins Abreise litt, denn er umwarb sie mit einer Intensität, die sie rasch auf andere Gedanken kommen ließ. Jeden Tag überraschte er sie mit einer neuen Aufmerksamkeit. Mal schenkte er ihr ein neues Kleid, mal führte er sie nach der Vorstellung auf den Maskenball eines südamerikanischen Baumwollbarons. Er tat alles, um ihr Zerstreuung zu bieten. Am meisten spürte Ricky seine körperliche Präsenz. In seiner Nähe stellten sich automatisch die Härchen auf ihren Armen auf. Sie spürte ein Kribbeln und eine körperliche Sehnsucht nach ihm. Doch Mukesh blieb in seinen Annäherungen zurückhaltend. Er küsste sie wohl, aber sobald er merkte, dass sie allzu erregt wurde, distanzierte er sich wieder, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen. Manchmal ärgerte sich Ricky über diese Zurückhaltung. Sie wünschte sich, dass er sie wieder so begehrte wie bei ihrem ersten Treffen im Hotel Adlon. Damals war sie es gewesen, die ihn zurückgewiesen hatte. Ihr Körper verzehrte sich nach mehr Nähe, auch wenn sie sich dafür schämte. In ihren Träumen sah sie sich nackt neben Mukesh auf einem Bett liegen – und wenn sie aufwachte, dann war sie enttäuscht, dass es nicht so war. Sie konnte sich ihre Gefühle selbst nicht erklären. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es wahre Liebe sein musste. Als Mukesh sie an einem der letzten Abende mit einer Schiffspassage nach Indien überraschte, brauchte sie keine lange Bedenkzeit, um sie anzunehmen. Mukesh blieb der vollendete Gentleman. Er drängte sie nicht dazu, sich zwischen ihrer Karriere oder einer Ehe mit ihm zu entscheiden, sondern er bot ihr nur die Reise an. » Du bist zu nichts verpflichtet. Lerne in aller Freiheit meine Familie kennen. Wir werden in meinem Palast leben, und ich werde dir meine Heimat zeigen. Erst dann magst du entscheiden, wie es weitergehen soll.« Die Aussicht auf diese Abwechslung schien Ricky im Moment weitaus verlockender, als wieder nach Berlin zurückzukehren. Nach der Tournee war sie frei – warum sollte sie also nicht nach Indien reisen, um sich dort über ihre Zukunft klar zu werden? In aller Eile hatte sie ein paar Briefe geschrieben, einen an Frau Teitelbaum, die sie sicherlich vermissen würde, und einen anderen an ihre Eltern, um sie darüber zu informieren, dass sie sie auf der Rückreise von Indien in Afrika zu besuchen gedenke – vielleicht ja, um ihnen ihre Hochzeit mit Mukesh zu verkünden!
Nun war sie also endlich da! Verträumt sah sie durch die Fensterscheiben des Automobils das bunte, hektische Stadttreiben vorüberziehen. Rikschas und Automobile suchten sich gleichermaßen chaotisch ihren Weg durch die wirren, von Menschen überfüllten Straßen. Überall sah man Leute, selbst in den hintersten Winkeln, inmitten von Müll und Unrat, der die Straßen so selbstverständlich säumte wie ein sauberes Trottoir die Straßen europäischer Großstädte. Der Chauffeur lenkte ihren Wagen entlang der östlichen Küstenlinie, genannt Apollo Bunder, zu dem größten Hotel der Stadt. Obwohl es von einem englischen Architekten stammte, sah es aus wie ein mächtiger, heller indischer Palast, der in der Mitte von einer großen Kuppel überhöht wurde. Auch an den Gebäudeecken befanden sich Kuppelpavillons. Das mehrstöckige Gebäude bestand im Erdgeschoss aus großzügigen Arkaden, während sich in den darüber liegenden Stockwerken Speisesäle, Zeichen- und Leseräume sowie luxuriöse Suiten befanden. Alles in allem war das Hotel ein gelungener Mix aus mittelalterlichen Formen aus dem ehemaligen Sultanat Gujarat, viktorianisch-gotischen Einflüssen sowie arabisch-islamischen Formen. Die Limousine fuhr vor den prächtigen, überdachten
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