Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Ferne hörte sie das kehlige Brüllen eines Löwen. Wahrscheinlich hatte etwas seine Ruhe gestört. Ansonsten war es friedlich, und sie vernahm nur hin und wieder das Rufen eines Nachtvogels. Dann sah sie, dass in dem Haus, in dem Sonja mit ihren Kindern wohnte, noch Licht brannte. Sie wunderte sich. Es war schon spät, fast drei Uhr morgens. Hoffentlich ist nichts mit dem Baby geschehen, schoss es ihr durch den Kopf. Tristan war noch sehr klein. Vielleicht hatte er sich erkältet. Für Jella war es Grund genug nachzusehen. Als sie auf das Haus zuging, hörte sie aufgeregte Stimmen und Babygeschrei. Sie beschleunigte ihre Schritte und trat ohne anzuklopfen durch die Tür.
*
Rastlos schritt Valentin Reuter in der von ihm angemieteten Montagehalle auf und ab und erteilte Anweisungen. Einige schwarze Arbeiter waren gerade dabei, riesige Stellwände aufzustellen, mit denen das Gebäude unterteilt werden sollte. Sie hatten bereits an der Rückwand ein Podest errichtet, das einmal die Bühne seines neuen Theaters sein würde. Davor befanden sich ein Orchestergraben und eine Souffleurmuschel. Die Arbeiten gingen gut voran, und er hätte zufrieden sein müssen. In etwas weniger als einem Monat würde es die erste Vorstellung in seinem eigenen Theater geben. Den Anfang würde ein Tourneetheater aus Kapstadt mit einer Operette machen, vier Wochen später war der Auftritt einer englischen Truppe mit Cabaret-Einlagen geplant. Auch aus Deutschland hatte er bereits einige Zusagen von Orchestern und Theatergruppen, die bei ihm auftreten wollten. Es musste schon mit dem Teufel zugehen, wenn sein Konzept, in Südwestafrika ein eigenes Theater aufzubauen, fehlschlagen sollte.
Seit seiner Rückkehr nach Afrika hatte sich viel getan. Zuerst hatte er mit dem Gedanken gespielt, nach Südafrika zu gehen, um dort eine Anstellung als Orchesterleiter oder Dirigent zu suchen, aber dann kam ihm der Gedanke, dass er mittlerweile über ausreichende Geldmittel verfügte, mit denen er sich seinen Lebenstraum von einem eigenen Theater erfüllen konnte. Windhuk schien ihm der geeignete Platz dafür. Er kannte die Stadt und ihre Menschen und sah ein Potenzial dafür, nicht nur konventionelle Theaterstücke und Konzerte aufzuführen, sondern eben auch moderne Darbietungen. Sein nächster Traum war, einmal über ein eigenes Ensemble aus Musikern, Schauspielern und Künstlern zu verfügen, wobei die Hautfarbe der Akteure keine Rolle spielen sollte. Das war natürlich in Anbetracht des wachsenden Rassismus gewagt, doch Valentin war der festen Überzeugung, dass über die Kunst auf Dauer auch Rassenschranken überwunden werden konnten. In Berlin, London und Paris traten längst auch farbige Künstler auf, was unter anderem auch dem Einfluss des Jazz zu verdanken war. Wieso sollte das nicht auch hier gelingen?
Nachdem Riccarda ihn verlassen hatte, war ihm diese riesige Herausforderung als genau das Richtige erschienen, um sie ein für alle Mal aus seinem Leben zu verbannen. Doch leider hatte er sich getäuscht. Die zufällige Begegnung mit Ricky in der Stadt hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Dabei war er der festen Überzeugung gewesen, dass er seine Gefühle ihr gegenüber mittlerweile unter Kontrolle hatte. Jetzt musste er feststellen, dass ihm die Trennung von ihr noch genauso weh tat wie damals. Es hätte ihm eine Genugtuung sein sollen, dass er in Begleitung von Sabine Klein gewesen war, einer Krankenschwester, mit der er vor einiger Zeit eine lockere Affäre begonnen hatte. Aus einer Laune heraus hatte er sie Ricky als seine Verlobte vorgestellt. Ricky hatte ihn einen Moment aus großen Augen angesehen, aber ihm dann nur kühl gratuliert, woraufhin er sich fast unhöflich von ihr verabschiedet hatte. Sabine hatte ihn überrascht gemustert und amüsiert gefragt, was das zu bedeuten hatte. Doch er hatte sie mit einer schroffen Bemerkung schnell zum Schweigen gebracht. In diesem Moment hatte er wirklich keine Lust verspürt, ihr irgendetwas zu erklären. Was ihn betraf, so bedeutete seine Beziehung zu Sabine nichts Ernstes. Er mochte ihre unbeschwerte Art und ihren runden, tröstenden Körper, den sie ihm ohne falsche Scham darbot. Er war nicht der Erste gewesen, der in den Genuss ihrer unkomplizierten Gesellschaft gekommen war, und das beruhigte ihn. Außerdem forderte Sabine nichts von ihm. Ihr schien es zu genügen, wenn sie sich hin und wieder trafen und einige angenehme Stunden miteinander verbrachten.
Natürlich war ihm sofort
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