Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
zu retten. Schließlich tat er es auf Kosten eines ganzen Ovambodorfes. Wie konnte er seine persönliche Hoffnung höher bewerten als das Schicksal so vieler Menschen, die durch sein Handeln um ihr Recht gebracht wurden? Sein juristischer Verstand sagte ihm, dass man sich nie erpressen lassen durfte, sein Herz sprach das genaue Gegenteil.
Als er mit der Neuigkeit, dass Benjamin zwar entführt, aber noch am Leben sei, nach Owitambe gereist war, hatte er gehofft, dass Sonja und er sich wieder aneinander annähern würden. Doch sie war sofort außer sich geraten, als er auch nur erwähnt hatte, dass er Skrupel habe, den Prozess auf Kosten der Ovambos vorsätzlich zu verlieren. Er hatte nur versucht, ihr sein Dilemma zu erklären. Wenn er die Gerichtsverhandlung absichtlich nicht gewann, dann war das Land in Tsumeb für immer für die Menschen verloren. Auf der anderen Seite wussten sie ja nicht einmal, ob ihr Sohn wirklich noch am Leben war, ganz abgesehen davon, dass mit dem Verlieren des Prozesses auch seine Reputation dahin war. Aber natürlich hatte Sonja ihn nicht verstanden. » Wie kannst du für ein Stück Land und deinen Ruf das Leben unseres Sohnes in die Waagschale werfen«, hatte sie außer sich vorgebracht. » Allein der Gedanke zeigt mir, wie wenig wir alle für dich wert sind. Du denkst immer an dein berufliches Fortkommen und dann erst an uns!« Raffael war darüber außer sich geraten. Er hatte bei Sonja nach Trost und Rückhalt gesucht, und sie machte ihm nun stattdessen Vorwürfe. Sie hatten noch eine Weile gestritten, dann hatte sie ihm mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtigte, zurück zu ihm nach Windhuk zu kommen. » Ich sehe nicht, dass die Kinder und ich noch bei dir willkommen sind«, hatte sie ihm mitgeteilt. » Du bist mit deinem Beruf verheiratet. Für uns ist da kein Platz mehr!« Das hatte ihn so getroffen, dass er wortlos das Haus verlassen hatte und sofort wieder zurück nach Windhuk gefahren war. So wie es aussah, war seine Ehe am Ende. Am meisten schmerzte ihn, dass er seinen jüngsten Sohn Tristan erst zweimal gesehen hatte.
Einen Tag vor Prozessbeginn lieferte Baltkorn ihm schließlich den geforderten Beweis. Es schien kein Zweifel daran, dass Benjamin noch am Leben war. Ein Bote brachte ihm eine weitere Haarlocke und einen Brief von ihm. Beides stammte zweifelsohne aus seiner Hand. Als Raffael die unbeholfene Botschaft seines sechsjährigen Sohnes entzifferte, stiegen ihm die Tränen in die Augen:
Lieber Papa, liebe Mama!
Mir geht es gut. Bitte macht, dass ich wieder nach Hause kann!
Euer Benjamin
Es war nicht der Inhalt des Briefes, der ihn erschütterte, sondern sein plötzlich einsetzendes Schuldgefühl seiner Frau gegenüber. Wieso war er so kleingläubig gewesen und hatte diesen Beweis gebraucht, um davon überzeugt zu sein, dass sein Sohn noch lebte? Sonja dagegen hatte die Hoffnung gereicht. War es das, was sie ihm vorwarf? Er fuhr sich verzweifelt durch das Haar und seufzte. Wenn die Verhandlung überstanden war, wurde es Zeit, über vieles nachzudenken. Doch jetzt musste er erst einmal in den sauren Apfel beißen und den Prozess zum Wohle seines Jungen verlieren. Entschlossen holte er die Mappe mit den Gerichtsunterlagen hervor und suchte nach Reubens Geständnis, um es zu zerreißen.
» Darf ich dich einen Moment stören?«
Es war Ricky. Raffael winkte sie müde herein und bat sie Platz zu nehmen. Sie war in Tränen aufgelöst und sah ihn unglücklich an.
» Was ist denn mit dir los?« Er reichte ihr sein Taschentuch und wartete geduldig ab, bis sie sich gefasst hatte.
» Ich habe vorhin in der Stadt Valentin Reuter getroffen«, schniefte Ricky bekümmert. » Du hättest sehen sollen, mit welcher Verachtung er mich gemustert hat!«
» Nimmst du ihm das etwa übel?«, fragte Raffael nicht sehr einfühlsam. Er fühlte sich im Moment so gar nicht in der Verfassung, den geeigneten Tröster zu spielen. » Du hast ihn schließlich wegen deines Prinzen sitzenlassen. Das steckt kein Mann so schnell weg.«
Seine harschen Worte taten ihm sofort leid, als er ihre empörte Miene sah.
» Aber deshalb muss er mich doch nicht gleich so abfällig behandeln!«, verteidigte sie sich. Sie war immer noch außer sich und schien wirklich verletzt zu sein. » Wie es scheint, habe ich ihm ohnehin nie viel bedeutet. Sonst hätte er sich nicht so schnell mit einer anderen eingelassen.«
» Glaubst du wirklich? So, wie du mir euer Verhältnis geschildert hast, war er doch ziemlich
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