Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Raffael empfing sie erstaunt, aber in alter Herzlichkeit. Ricky erschrak, als sie bemerkte, wie sehr er sich in den letzten Jahren verändert hatte. In sein jungenhaftes Gesicht hatten sich ernste Falten gegraben, und in seiner immer noch pomadisierten Frisur glänzten einzelne graue Haare. Überhaupt wirkte er sehr erschöpft und irgendwie verbittert. Als er ihre Schwangerschaft bemerkte, hob er erstaunt eine Augenbraue. Ricky musste mit ihrer Verlegenheit kämpfen, bevor sie ihm dazu Rede und Antwort stehen konnte. Schließlich reckte sie entschlossen ihr Kinn vor und ging in die Offensive.
» Ja, ich bin schwanger«, kam sie ihm rasch zuvor. » Und, nein, ich habe keinen Vater dazu«, vollendete sie ihren Satz. Nun war es zum ersten Mal heraus. Raffael hob beschwichtigend die Hände. Er verstand sofort, dass sie im Augenblick nicht bereit war, mehr dazu zu sagen, und hielt sich zurück. Er bat sie erst einmal zu sich herein und machte ihnen beiden Tee. Ricky war ihm dankbar, dass er so rücksichtsvoll war. Erst nachdem sie zwei Tassen Tee und eine halbe Packung Kekse verdrückt hatte, rückte sie zögernd mit ihrer Geschichte heraus. Raffael unterbrach sie nur selten. Er machte ihr keinerlei Vorhaltungen und nahm an ihrem Schicksal aufrichtig Anteil.
» Nun bin ich hier und hoffe, dass alles irgendwie weitergeht«, schloss Ricky endlich ihren Bericht ab. » Vater wird schrecklich enttäuscht von mir sein, und Mutter …« Ricky seufzte. » Wenn sie nicht bereit sind, sich um mein Kind zu kümmern, werde ich wohl für immer hier in der Provinz versauern. Wer will schon eine Frau, die ein farbiges Kind hat?«
Raffael versuchte gar nicht, es abzuleugnen. Er schwieg einfach. Ricky merkte, dass sie ein heikles Thema angeschnitten hatte und zuckte entschuldigend mit der Schulter. » Tut mir leid«, meinte sie verbittert, » aber so ist die Lage doch nun einmal.« Raffael lachte plötzlich und legte seine Hand auf ihr Knie. » So schlimm ist es auch wieder nicht«, meinte er leichthin. » Wir haben in unserer Familie mit solchen Umständen ja mittlerweile eine ganze Menge Erfahrungen.« Ricky atmete erleichtert auf. Es tat gut, endlich einmal mit jemandem seine Sorgen zu teilen. Doch nun fand sie es an der Zeit, sich endlich nach seinem Befinden zu erkundigen. Schließlich hatte auch er schwere Schicksalsschläge zu verkraften gehabt.
Raffael zierte sich anfangs. Auch ihm fiel es schwer, über das Geschehene zu reden. Doch da Ricky ihm gegenüber so vorbehaltlos offen gewesen war, wagte auch er es, sich ihr anzuvertrauen.
» Ich hoffe nur, dass Baltkorn auch zu seinem Wort stehen wird und dass Benjamin gesund und munter ist«, schloss er schließlich sichtlich ergriffen. Ricky sah ihn voller Anteilnahme an. Im Laufe seiner Ausführungen war ihr erst klar geworden, wie viel in den letzten Jahren geschehen war. Sie hatte immer nur ihre Karriere im Sinn gehabt, während ihre Familie mit weitaus ernsteren Problemen zu kämpfen gehabt hatte.
» Es tut mir so leid, dass ich mich so wenig um euch gekümmert habe«, meinte sie schließlich bekümmert. » Wie kann ich da verlangen, dass ihr mir jetzt helft?«
» Das ist doch Unsinn«, beschwichtigte sie Raffael. » Du bist deinen eigenen Weg gegangen – und das ist auch richtig so. Ich bin sicher, dass meine Schwester und dein Vater das genauso sehen. Du musst dich unbedingt bei ihnen melden. Sie haben ein Recht darauf. Wollen wir sie gleich anrufen?«
» Anrufen?«
Ricky hielt erschrocken die Luft an. » Um Gottes willen! Ich bin doch gerade erst hier angekommen. Ich kann jetzt nicht gleich nach Owitambe gehen. Gib mir noch ein wenig Zeit, wenigstens eine Woche, bis ich mich innerlich darauf vorbereitet habe.«
Raffael seufzte und versuchte ihr klarzumachen, dass ein Aufschub keine Lösung war. Doch Ricky fühlte sich noch nicht bereit. Schließlich lenkte er notgedrungen ein.
» Na gut. Eine Woche. Ich freu mich ja auch darüber, dass mal wieder eine Frau im Hause ist.«
Ricky war zufrieden. Doch nach einer Woche bat sie ihn um einen weiteren Aufschub und dann um noch einen. Schließlich einigten sie sich darauf, dass sie noch bis zu seinem Prozess bleiben sollte.
*
Je näher der Prozess gegen Baltkorn rückte, umso stärker wurden Raffaels Gewissensbisse. Zwar gab ihm Ricky das Gefühl, dass er das Richtige tat, doch er konnte nicht umhin, ständig darüber nachzugrübeln, ob es richtig war, das Recht mit Absicht zu beugen, um eventuell das Leben seines Sohnes
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