Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
erscheinen. Nur wenige Schritte trennten ihn von der Gegenseite, die von Jon Baltkorn und dessen Anwalt Dr. Schmiedel vertreten wurde. Baltkorn trug einen legeren, hellen Sommeranzug und wirkte eher wie ein Sonntagsausflügler als wie ein Beschuldigter. Sein glatt rasiertes, rosiges Gesicht strahlte bereits jetzt vor Vorfreude auf seinen Triumph. Raffael musste den Blick abwenden, um seine mühsam aufrechterhaltene Fassung nicht zu verlieren. Als beim Aufrufen der Zeugen festgestellt wurde, dass der Hauptzeuge der Klägerpartei, der Katasterbeamte Hugo Reuben, nicht im Gerichtssaal anwesend war, wagte Baltkorn sogar ein siegessicheres Lächeln. Ein erstes Raunen ging durch den Saal.
» Weiß der Vertreter der Anklage, wo der Zeuge verblieben ist?«, fragte der Vorsitzende Richter einigermaßen erstaunt. Raffael straffte seinen Körper, um sich auf die erste Unwahrheit vorzubereiten. » Nein, Euer Ehren.«
Der Richter brummte etwas von schlechter Vorbereitung und setzte die Verhandlung nun mit der Belehrung der Zeugen und Sachverständigen fort. Anschließend forderte er diese auf, den Gerichtssaal bis auf Weiteres zu verlassen.
Nach der Klärung der Personalien begann das eigentliche Verfahren. Raffael wurde dazu angehalten, seine Anklage vorzutragen. Er verlas die einst so sorgfältig ausgearbeitete Anklageschrift mit der bitteren Gewissheit, dass er selbst sein Anliegen zum Scheitern bringen würde. Immer wieder musste er sich räuspern, da ihm die Stimme zu versagen drohte. Baltkorn warf ihm einen hämischen Blick zu. Der Richter fragte ihn nun, ob er als Beschuldigter dazu etwas sagen wollte.
» Die Anschuldigungen sind samt und sonders aus der Luft gegriffen«, sagte Baltkorn und warf Raffael einen fast bedauernden Blick zu. » Es wundert mich nicht, dass Rechtsanwalt Sonthofen versucht, mir und meinem Ruf zu schaden. Es ist die kleinliche Rache eines Farbigen, der sich nicht damit abfinden kann, dass er kein reinrassiger Weißer ist. Seit seiner Jugend …«
» Ihre persönlichen Abneigungen gegen Ihren Kontrahenten gehören hier nicht zur Sache«, unterbrach ihn Richter Clark ungehalten. » Sie plädieren also auf nicht schuldig, Herr Baltkorn?«
» Gewiss. Alle Anschuldigungen werden sich in Wohlgefallen auflösen, Euer Ehren.«
» Dann setzen Sie sich wieder. Wir beginnen mit der Beweisaufnahme. Dazu fordere ich den Kläger auf, seinen ersten Zeugen in den Zeugenstand zu rufen.«
» Ich rufe den Zeugen Nils Hosea in den Zeugenstand«, meinte Raffael beklommen. Der Auftritt seines Freundes sollte möglichst unglaubwürdig ausfallen, damit der Richter schon einmal voreingenommen war. Nils war in alles eingeweiht und hatte ihm versprochen, sich genauso zu verhalten, wie Raffael ihn gebeten hatte. Doch als der schlanke Herero in den Gerichtssaal trat, wirkte er ziemlich aufgekratzt. Als Richter Clark ihn bat, seine Aussage zu machen, weigerte sich Nils zur Überraschung aller Anwesenden.
» Ich kann jetzt keine Aussage machen«, meinte er. » Erst muss Raffael … ich meine … Barrister Sonthofen draußen andere Zeugen sehen.«
» Was soll das?« Samuel Clark zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch und sah Raffael kritisch an.
Raffael warf seinem Freund einen eindringlichen Blick zu. Hatte Nils ihn missverstanden? Seine Aussagen sollten zwar unglaubwürdig ausfallen, aber in keinem Fall lächerlich. Auf der anderen Seite war Nils nicht dumm. Was sollte eine Unterbrechung der Verhandlung bringen? Er entschied sich, seinem Freund zu vertrauen.
» Ich bitte um eine kurze Unterbrechung der Verhandlung«, bat er schließlich. Der Richter sah ungeduldig auf die Uhr.
» Sie sind mit einer solchen Forderung reichlich früh dran«, brummte er unwillig. » Wie mir scheint, lässt Ihre Vorbereitung einiges zu wünschen übrig.«
Im Publikum hörte man vereinzeltes Gelächter, während Baltkorn wie ein gnädiger Lehrer, der wusste, dass man von seinem dümmsten Schüler nichts Besseres erwarten konnte, vielsagend mit den Augen rollte.
» Das Gericht unterbricht die Verhandlung für fünfzehn Minuten«, beschloss Richter Clark und klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch. Nils war bei Raffael, noch bevor der seine Unterlagen zusammengesammelt hatte.
» Was soll das?«, fragte Raffael verstimmt. » So war dein Auftritt nicht abgesprochen.«
» Schnell, draußen warten viele Neuigkeiten!«, drängte Nils, ohne seine Frage zu beantworten. Dabei grinste er ihn von einem zum anderen Ohr breit an.
Vor der Tür
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