Familienkonferenz in der Praxis
Problemen selbst fertigzuwerden … Es tut mir gut zu sehen, wie sie ihre eigenen kleinen Beziehungsprobleme selbst löst … Ich bin erstaunt festzustellen, dass sie auf diesem Gebiet weit mehr Fähigkeiten besitzt, als ich in ihrem Alter oder auch später noch besaß. Ich habe das Gefühl, dass ich ihr bei ihrer Entwicklung helfe. Sie hat viele Entwicklungsschritte getan, zu denen ich nie in der Lage war … Die Technik der ›Familienkonferenz‹ ermöglichte mir, sie ihren eigenen Problemen weitgehend zu überlassen, ohne meine Lösungen aufzudrängen … Die Feststellung, dass sie sich mit ihren Problemen befasst, ermöglichte mir, mich zurückzuhalten. Ich zwinge ihr meine Lösungen nicht auf, die der Situation weit weniger gerecht werden als diejenigen, auf die sie selbst kommt.«
Wenn die Eltern das Prinzip des Problembesitzes verstanden haben, kann es zu einer tief greifenden Veränderung in ihrem Verhalten gegenüber den Kindern führen. Im Kurs werden die Eltern mit dem Begriff anfangs auf dieselbe Weise vertraut gemacht, die zur Unterscheidung »akzeptabler« und »nicht akzeptabler« Verhaltensweisen verwendet wird. Wieder müssen sie sich ein Rechteck vorstellen. Diesmal müssen sie jedoch einen dritten Bereich hinzufügen. Dies geht aus dem rechten Rechteck der Abbildung 9 unten hervor.
Beginnen wir mit dem unteren Teil des Rechtecks auf der rechten Seite. Wie der Leser sich erinnern wird, handelt es sich hier um die Verhaltensweisen, die von dem Elternteil nicht akzeptiert werden, weil sie seine Rechte verletzen oder ihn daran hindern, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Beispiele: Das Kind ist laut, wenn die Eltern sprechen, das Kind trödelt, wenn die Eltern es eilig haben, das Kind kritzelt auf die Tapete, das Kind verstreut seine Spielsachen oder Kleidungsstücke im Wohnzimmer, das Kind verkratzt die Tischplatte usw. Solche Verhaltensweisen bedeuten, dass der Elternteil das Problem besitzt. Es ist an ihm, das Verhalten zu verändern, das das Problem hervorruft.
Im oberen Teil des Rechtecks zeigen wir Verhaltensweisen des Kin-des, die anzeigen, dass hier das Kind das Problem besitzt: Die Bedürfnisse des Kindes werden nicht befriedigt, das Kind ist unglücklich, frustriert oder in Schwierigkeiten. Beispiele: Das Kind ist unzufrieden, weil es niemanden zum Spielen hat; das Kind wird von einem seiner Freunde zurückgewiesen; dem Kind erscheinen seine Schularbeiten zu schwierig; das Kind ist auf seinen Lehrer böse; der Teenager ist unglücklich wegen seines Übergewichtes. Es handelt sich um Probleme aus dem Lebensbereich der Kinder. Sie haben mit dem Leben der Eltern nichts zu tun. In solchen Situationen besitzt das Kind das Problem.
Abbildung 9
Der Mittelbereich des Rechtecks ist Verhaltensweisen des Kindes vorbehalten, die weder für die Eltern noch für es selbst ein Problem darstellen. Es ist dies die kostbare Zeit, in der Eltern und Kinder in einer problemfreien Beziehung zueinander stehen, zusammen spielen, sich unterhalten, arbeiten oder irgendeiner anderen gemeinsamen Beschäftigung nachgehen. Es ist dies die problemfreie Zone.
Gerade wenn das Kind das Problem besitzt, sind Eltern häufig versucht, einzuspringen, die Verantwortung für seine Lösung zu übernehmen, sich selbst Vorwürfe zu machen, wenn sie dazu nicht in der Lage sind. Die ›Familienkonferenz‹ bietet Eltern, die bestrebt sind, ihren Kindern zu helfen, eine Alternative an: dem Kind das Problem zu überlassen und abzuwarten, was es selbst für eine Lösung findet. Etwas vereinfacht enthält der neue Ansatz folgende Elemente:
Alle Kinder bekommen in ihrem Leben unvermeidlich mit Problemen der verschiedensten Art zu tun.
Kinder haben ungeahnte und meistens unentdeckte Fähigkeiten zur Lösung ihrer Probleme.
Wenn Eltern ihre Kinder mit vorfabrizierten Lösungen versorgen, bleiben die Kinder abhängig. Sie kommen nicht dazu, eigene Problemlösungsfertigkeiten zu entwickeln. Immer wieder werden sie sich an ihre Eltern wenden, wenn sie auf ein neues Problem stoßen.
Wenn Eltern die Probleme ihrer Kinder übernehmen (oder sie in »Besitz« nehmen), übernehmen sie die volle Verantwortung dafür,
mit einer guten Lösung aufzuwarten. Dies wächst sich nicht nur zu einer sehr unangenehmen Belastung aus, sondern wird auch zu einer ihre Kräfte übersteigenden Aufgabe. Niemand hat die unerschöpfliche Weisheit, die erforderlich ist, um für die persönlichen Probleme anderer Leute gute Lösungen herbeizuzaubern.
Wenn die
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