Familienkonferenz in der Praxis
lernen, mit dem Reden aufzuhören und mit dem Zuhören anzufangen. Es stellt sich jedoch heraus, dass viele Eltern den Unterschied zwischen Zuhören und Reden nicht kennen! Wir haben unsere Techniken verbessert, den Eltern diesen Unterschied klarzumachen.
Kaum begegnet man heute noch irgendwelchen Eltern, die nie gehört haben, wie wichtig es ist, Kindern zuzuhören. Keine der Autoritäten,
denen man in Büchern, Zeitschriften, auf der Rednertribüne oder auf dem Bildschirm begegnet, verzichtet auf diese abgedroschene Phrase, wenn sie ihre Gebrauchsanweisung zur vorbildlichen Erfüllung der Elternrolle liefert.
Fast genauso häufig, wie diese Weisheit hergebetet wird, sind Eltern davon überzeugt, dass sie ihren Kindern in der Praxis wirklich zuhören. »Natürlich höre ich meinen Kindern zu«, meinen die meisten Eltern. Nur noch wenige Eltern halten sich in unserer Zeit an die altmodische Vorstellung, dass »man Kinder sehen, aber nicht hören soll«. So sind die Eltern sehr überrascht, wenn sie feststellen, dass sie sich den Begriff des Zuhörens zwar abstrakt zu eigen gemacht haben, dass sie aber in konkreten Situationen zum aktiven Zuhören nicht in der Lage sind. Und gerade dort wäre es so nötig.
In der ›Familienkonferenz‹ lernen die Eltern zunächst zu unterscheiden, wann sie ihren Kindern zuhören und wann sie zu ihnen sprechen. Eine Mutter drückte es so aus:
»Was mich am meisten bedrückt, ist, dass man niemals weiß, ob das Kind ein Problem hat – manchmal trägt es seine Schwierigkeiten tagelang mit sich herum. Der Gedanke ist schrecklich, dass ich die Gelegenheit versäumt habe, ihm zu helfen, weil ich die Tür zugemacht habe … Ich habe viel Zeit damit zugebracht, mit ihm zu sprechen – ich glaube, ich habe sehr viel mit ihm geredet … Es hat uns viel Mühe gemacht, an unseren Sohn heranzukommen. Ich fand keinen Zugang zu ihm. Er ist sehr still. Verzweifelt habe ich nach Dingen gesucht, die ich ihm sagen konnte. Schließlich bin ich seine Mutter und muss mit ihm reden.«
Viele Eltern lassen in Interviews wie diesen erkennen, dass sie zuhören und reden verwechseln:
»Wenn dieses Problem sich zeigte, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Früher habe ich schreckliche Angst vor dieser Situation gehabt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.«
»Früher habe ich viel mehr Fragen gestellt. Wenn mein Kind ein Problem hatte, sagte ich zum Beispiel: ›Nun was gibt es? Warum bist du aufgebracht?‹ Man sieht es meinen Kindern sofort – wenn sie ins Zimmer kommen – an, ob sie über irgendetwas aufgebracht sind. Und dann habe ich sofort mit dem Fragen begonnen.«
Mit wenigen Ausnahmen war bei allen Eltern, die an unseren Kursen teilgenommen haben, die typische Reaktion, dass sie einem Kind, das mit einem Problem zu tun hatte, nicht zuhörten, sondern zu ihm sprachen. Sie glaubten, sie müssten dem Kind etwas sagen, ihm irgendeine Botschaft zukommen lassen, ihm etwas mitteilen.
Deshalb haben wir es immer als unsere erste Pflicht angesehen, den Eltern bewusst zu machen, wie ihre typische verbale Reaktion in dem Augenblick aussieht, da ihre Kinder ihnen von Problemen berichten. Manchmal ist unsere Methode auf Verwirrung und nicht selten auf erheblichen Widerstand gestoßen. Neuerlich haben wir ein Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe sich Verwirrung und Widerstand abbauen lassen. In diesem Kapitel möchte ich deshalb die Eltern mit einigen der neuen Erkenntnisse bekanntmachen und einige Richtlinien nennen, durch die man ein effektiverer Zuhörer werden kann.
Wenn es Eltern nicht gelingt, die zwölf Kommunikationssperren zu vermeiden
In der ersten Kurssitzung führen die Kursleiter eine Übung mit den Eltern durch. Dabei spielt der Leiter nacheinander die Rolle verschiedener Kinder, die mitteilen, sie hätten ein Problem. Die Kursteilnehmer werden aufgefordert, wörtlich niederzuschreiben, wie sie auf jedes einzelne der Kinder reagieren würden. Ihre Antworten werden dann eingesammelt und analysiert, gut 90 Prozent lassen sich zwölf Grundkategorien zuordnen. Wir nennen sie die zwölf Kommunikationssperren. Nehmen
wir einen 14-jährigen Jungen, der seinen Eltern von den Problemen berichtet, die er mit Hausaufgaben und Schule hat:
»Ich kann meine Hausaufgaben einfach nicht erledigen. Ich hasse sie. Und ich hasse die Schule. Sie ist langweilig. Sie bringen mir nichts von dem bei, was ich im Leben gebrauchen könnte – es ist unnützes Zeug. Wenn ich alt genug bin, werde ich die
Weitere Kostenlose Bücher