Familienpackung
scheint abgebrüht. Eben erwischt, gönnt
sie sich jetzt erst mal ein schönes Tässchen Kaffee. Manchen Menschen fehlt jegliches Gewissen. Und diese Frau ist zudem auch noch Mutter.« Die tun ja so, als hätte ich mehrfachen Kindermord verübt und die Kleinen danach in Stücke geschnitten und tiefgefroren. Oder als wäre ich eine Fixerin, die sich von ihren Kindern die Spritzen aufziehen lässt. Nie mehr gucke ich diesen Sender. Heute jedenfalls auf keinen Fall. Machen Drecksdschungelshows und ereifern sich dann übers Schwarzfahren.
Kaum ist der Bericht zu Ende, klingelt das Telefon. Wahrscheinlich Heike. Den Zuspruch kann ich gut brauchen. Ich hebe ab und ärgere mich direkt. Es ist nämlich nicht Heike, sondern meine Mutter. »Andrea«, empört sie sich, »ich habe eben ein wenig ferngesehen. Zum Entspannen nach dem Golf. Von Entspannung kann man in diesem Fall allerdings nicht reden. Denn wenn mich nicht alles täuscht, warst du die Hauptdarstellerin in einem unsäglichen Stück. Du hattest diesen widerlich bunten Mantel an. Ich habe dich sofort erkannt. Und ich muss sagen, stolz war ich nicht.« Sie holt kurz Luft und ich versuche eine Erwiderung: »Mama, also das war total gemein.« Mein Einwurf interessiert sie wenig. »Andrea, jetzt rede ich«, unterbricht sie mich, »wenn es bei euch finanziell so eng ist, kannst du uns ruhig was sagen. Dein Vater würde dir sicher eine Bahnfahrt ermöglichen.« Soll das jetzt ironisch sein? »In deinem Alter ohne Fahrschein, was soll der Blödsinn?« Nochmal hebe ich zu einer Erklärung an, aber sie will nichts hören. »Ich werde jetzt mal deinen Vater anrufen und ihm von der Sache berichten«, droht sie, als wäre ich elf, beim Rauchen erwischt worden und kurz vor sieben Wochen Hausarrest.
»Oh, da habe ich aber ganz doll Angst«, werde ich pampig, aber sie hat längst aufgelegt.
Die Nächste ist Heike. »Da bist du schon mal Fernsehstar und dann kann man dich kaum erkennen, wie ärgerlich«, lacht sie ins Telefon. »Ich dachte, du langweilst dich und verkümmerst und dann treibst du so wilde Sachen. Wow. Auf dem Land geht’s ganz schön ab.« Ich liebe Heike. Allein für diesen Anruf. Ich ringe mir ein kleines Lächeln ab. So schlimm ist das nun alles auch nicht. Und irgendwie hat sie ja auch Recht. Ich wollte schließlich ein spannenderes Leben. Langweilig war es heute definitiv nicht. Das ist doch schon mal was.
Der letzte aufregende Tag, an den ich mich erinnere, war der von Marks Geburt. Und das war so, damals vor mehr als zwei Jahren:
Ja, ich bin sehr bald Politikerliebling! Wer hätte das je für möglich gehalten.
Andrea Schnidt – die ultimative Hoffnung fürs deutsche Rentensystem. Ich, eine moderne berufstätige Frau, bin in wenigen Stunden zweifache Mutter. An sich wären ein paar Blumen vom Finanzminister das Wenigste. Vielleicht auch noch ein paar winzige Präsente vom Arbeitsminister. Schließlich bin ich dann erst mal eine Weile weg vom Arbeitsmarkt. Und damit ist ein Arbeitsplatz frei. Vom Bevölkerungszuwachs und der Erleichterung auf dem Rentenmarkt gar nicht zu reden. Das deutsche Volk kann stolz auf mich sein.
Bestimmt zum 15 . Mal überprüfe ich den Inhalt meines Krankenhaustäschchens. Wie auch bei den letzten 14 Mal
ist alles in Ordnung. Still- BH , Schlafanzug, Nachthemd und Hygieneartikel – alles noch da, wo es gestern auch war. Man wird wirklich manisch mit der Zeit. Wo sollte das Zeug auch sein? Still-BHs neigen nun mal nicht zum Weglaufen. Aber schon meine Mutter hat immer gesagt, »Andrea, lieber zweimal geschaut und auf der sicheren Seite.« Da soll mal einer sagen, ich würde nicht auf meine Mutter hören. Ich bin beruhigt. Alles wie es sein soll, nur der Reißverschluss klemmt leicht. »Christoph, kannst du mal eben die Tasche zumachen, die geht irgendwie nicht zu«, rufe ich meinen Mann. »Oh, ne«, kommt es aus dem Badezimmer. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst die Tasche jetzt endlich mal in Ruhe lassen, ich habe Besseres zu tun, als stündlich deine Reisetasche zuzuwurschteln. Glaubst du, es hat dir heute Nacht noch einer was rausgeklaut?« Charmant, wirklich. Eine hochschwangere Frau anmotzen, die in Kürze quasi auf die Schlachtbank geführt wird. Ich bin aber auch echt eine extrem anspruchsvolle Frau. Was hat es dieser Mann schwer. Bald wird sich Amnesty bei mir melden und mich zumindest streng verwarnen. »Gelbe Karte, Frau Schnidt! Noch einmal und wir müssen einschreiten!« Einem Mann, selbst dem
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