Familientherapie ohne Familie
eine andere Erwartungshaltung und helfen dabei, Ziele zu finden. In der Stunde nach der Intervention müssen dann die Perlen der Ressourcen aus dem Begleitmaterial herausgesucht werden. Dann zeigt sich, was für den weiteren Fortschritt nutzbar ist.
Achten Sie darauf, wie Sie das Bedürfnis überwinden
Das ist eine Variante der Standardintervention. Sie wird vor allem in den Fällen gegeben, wo Patienten angeben, das Symptom stünde nicht unter ihrer Kontrolle (zum Beispiel Suchtkranke, Zwangskranke oder Phobiker). Wiederum zielt die Intervention auf die Momente, in denen ein Trinker nicht trinkt oder ein Phobiker einem Hund nicht ausweicht.
Folgerichtig wird der Therapeut die folgende Stunde mit den Worten eröffnen: »Was haben Sie denn die letzte Woche gemacht, als Sie das Bedürfnis überwunden haben?« (»... als Sie nicht getrunken haben?«)
Der Therapeut wird auf diese Weise ein neues Bild vom Patienten erhalten. Der haltlose Alkoholiker trinkt dann überraschenderweise nicht den ganzen Tag, sofern er nicht schläft. Im Gegenteil, er überwindet manche Klippe, ohne zu trinken. Einmal hat er sogar ein Bier abgelehnt. Jede Situation kann dann untersucht werden, wie er das geschafft hat, was die anderen dazu beigetragen haben usw. Während der Therapiestunde muss nicht notwendigerweise auf die weitere Nutzbarkeit der positiven Verhaltensalternativen abgehoben werden. Allein das Aufzählen der positiven Ausnahmen impliziert die mögliche Verwendung bei ähnlichen Gelegenheiten.
Überraschen
Auch Überraschungen lassen sich therapeutisch nützen. Wiederum ist es eine Variante der Intervention »Mach etwas anders«. Sie besteht darin, jemanden aufzufordern, einen anderen
mit etwas zu überraschen ohne zuzugeben, dass es eine Überraschung sei. Dabei ist der andere, dem die Überraschung gilt, bei der Intervention anwesend. Die Intervention richtet sich also meist an Paare, womit für einen Moment das Thema »Einzeltherapie« verlassen werden soll. (Um eine Vorstellung von der Vielzahl von Interventionen zu geben, sollen im Folgenden auch einige Interventionen erwähnt werden, die sich nicht nur an Individuen richten.) Einem Paar wird also gesagt:
»Ich hätte gerne, dass Sie in der kommenden Woche jeder den anderen täglich mit etwas überraschen. Dabei steht es völlig in Ihrer Wahl, wie Sie das tun. Ja, es sollte sogar möglichst so sein, dass der andere unsicher ist, ob er es erraten kann. Wenn der andere es dennoch erraten sollte, bestreiten Sie es! In einer Woche besprechen wir, wer den anderen besser überraschen konnte.«
Die Intervention ist letztlich eine Anwendung der Binsenwahrheit: »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.« Leider lassen sich viele Paarkonflikte nicht durch Binsenweisheiten lösen. Die Ratschläge müssen in einer Form präsentiert werden, die erfolgversprechend ist. Im obigen Fall werden also die Partner rätseln, womit der andere sie wohl heute überraschen wird. Sie beobachten sich gegenseitig. Diesmal allerdings nicht, um am Verhalten des anderen etwas Störendes zu finden, sondern, im Gegenteil, eine – wahrscheinlich angenehme – Überraschung. Gleichzeitig wird ein spielerisches Element eingeführt, ein Wettkampfgeist, der einen Teil der aggressiven Spannung aufnehmen und umformen helfen soll.
Auch bei Kindern kann man manchmal eine ähnliche Technik anwenden.
Ein Kind brachte die Eltern durch das tägliche Chaos im Kinderzimmer zur Verzweiflung. Viele Versuche waren fehlgeschlagen, es wenigstens hin und wieder zum selbstständigen Aufräumen zu bringen. Da die Eltern noch einige weitere Erziehungsprobleme mit dem Kind hatten, suchte man den Psychotherapeuten
auf. (Dieser Fall ereignete sich in den USA. In Deutschland ist der Weg zum Fachmann nicht so selbstverständlich.)
Der Therapeut, der ein gutes Verhältnis zum Kind bekam, gab ihm die Empfehlung, jeden Tag die Eltern dadurch zu überraschen, dass etwas mehr in seinem Zimmer aufgeräumt wäre. Es solle anfänglich nur eine Kleinigkeit sein. Die Eltern sollten schauen, was es sei und ob sie es bemerken würden. Eine Art Wettstreit zwischen ihm und den Eltern sollte entstehen. 31
Schätzen
Sehr häufig findet sich in der Psychotherapie eine Situation, in der ein bestimmtes Symptom scheinbar ohne Regel auftritt. Unbeeinflussbar vom Patienten treten Symptome auf und verschwinden wieder. Als eine Standardintervention für diese Fälle hat sich das Vorhersagen des Symptoms erwiesen. Der Patient erhält die Aufgabe,
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