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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
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jetzt an meiner Stelle säßen?«
    Durch solche Bemerkungen wird ein Machtkampf im Ansatz unterbrochen. Statt zu rivalisieren, nimmt der Therapeut bewusst die unterlegene Position ein (im Englischen: one-down-position), die ihm letztlich die Kontrolle zurückgibt.
Die Verhaltensverschreibungen
    Es gibt in der Literatur eine Unzahl von verschiedenen Verhaltensverschreibungen. Damit möchte ich recht pauschal alle Interventionen charakterisieren, die eine bestimmte, konkrete Aufgabe beinhalten und gleichzeitig keine Symptomverschreibung sind. In der Gruppe der Verhaltensverschreibungen kann man nach einzelnen Aufgaben unterscheiden, zum Beispiel Beobachtungsaufgaben, Rituale usw.
Dies soll erneut anhand von Beispielen deutlich werden. Bei der Darstellung dieser Interventionsbeispiele möchte ich lieber nach der Konkretheit der Aussage gliedern, beginnend mit sehr allgemeinen Interventionen bis hin zu sehr spezifischen Empfehlungen. Wie bereits schon früher dargestellt, krankt diese Art von Präsentation an der Künstlichkeit, nicht immer ganze Fallgeschichten darstellen zu können, sondern sich in diesem Kapitel eben nur auf die Interventionen zu beschränken. Die System- und Familienperspektive droht dadurch verloren zu gehen, und der Eindruck mag entstehen, es käme nur auf einige geschickte Formulierungen am Ende einer Stunde an. Ich hoffe, durch die Ausführungen an früherer Stelle deutlich gemacht zu haben, wie wenig das zutrifft. Die richtige Intervention an der falschen Stelle erzeugt entweder Unverständnis oder Ärger. Ich stelle dennoch eine Vielzahl von Interventionen vor, auch wenn sie manchmal etwas künstlich und aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen mögen. Die Darstellung soll als Anregung dienen. Die Interventionen gehören jede für sich immer in den Gesamtkontext einer Therapie und des entsprechenden familiären Umfeldes eingebettet.
Etwas anders machen
    Eine der allgemeinsten Verschreibungen, sie wurde im BFTC entwickelt, ist lediglich die Empfehlung, anders als bisher auf die gewohnte konflikthafte Situation zu reagieren. Solch eine banale Empfehlung basiert auf der Überzeugung, dass jedes andere Verhalten auch beim Gegenüber andere Reaktionen hervorruft, was ein anderes Kommunikationsmuster bewirkt.
    Es ist eine sehr einfache Verschreibung in Fällen, wo das Verhalten der Beteiligten in hohem Maße festgefahren und vor allem für alle vorhersehbar ist. Üblicherweise gab man in Milwaukee die Intervention bei chronifizierten Erziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern, wenn sich ein immer gleiches Ritual von »Missetaten« und »Bestrafungen«
eingespielt hatte. Dann konnte den Eltern, ohne die Anwesenheit der Kinder, folgender Ratschlag gegeben werden:
    »Zwischen jetzt und der nächsten Sitzung möchten wir, dass Sie anders auf die übliche Streitsituation reagieren. Und zwar unabhängig davon, wie außergewöhnlich oder merkwürdig das sein sollte. Entscheidend ist nur, dass es deutlich anders ist als üblicherweise.«
    Manchmal wurde den Eltern noch ein Hinweis gegeben, wie sich andere Eltern verhalten hätten. So hätte ein Vater auf die Wutanfälle des Sohnes hin unvermittelt die Bohrmaschine aus der Garage geholt und angefangen, Löcher zu bohren. Eine Mutter hätte auf ein ähnliches Problem dem Kind einen Lutscher gegeben und beim nächsten Mal urplötzlich ein Indianergeheule angestimmt. Dem Einfallsreichtum wären hier keine Grenzen gesetzt. Beide Eltern sollten sich nur vorher ein Repertoire an Ideen zurechtlegen, sodass sie nicht unvorbereitet wären.
    Viele Eltern reagieren auf solche Empfehlungen nach kurzem Nachdenken mit humorvollem Interesse. Kinder, so ist die Erfahrung, beenden meist total verblüfft ihr lange eingefahrenes Verhalten und beobachten gespannt, was die Eltern noch so alles vollführen.
    Die Intervention »Mach etwas anders« lässt sich allerdings nicht nur in der Kinderstube nützen.
     
    Ein Patient, Johannes B., berichtete, er sei als 18-jähriger Jugendlicher in eine schwierige Situation geraten. Aus Unvorsichtigkeit und Gedankenlosigkeit sei er an einem Sommerabend mit seiner Freundin in eine zwar schöne, aber leider von vielen Kriminellen frequentierte Diskothek gegangen. Während das Paar tanzte, gruppierten sich am Ausgang sechs oder sieben junge Männer zusammen, die ganz offensichtlich eine Schlägerei mit Johannes suchten, der vermutlich durch seine gepflegten Umgangsformen und Gebaren in der ihm unvertrauten Umgebung auffiel. Das Paar wurde

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