Fan Man
wir jetzt hin, Mann, auf ne heilige Pilgerreise in den Van Cortlandt Park, wo ich als kleines Kind abgefahren bin. Komm, wir gehn, Mann, SO-FORT!«
Der Gedanke an diesen vergessenen Park meiner Kindheit wirkt jetzt auf mein Horse-Badorties-Bewußtsein ein. Inzwischen muß ich mich noch fünfhundert anderen Dingen widmen, Fans bequatschen, Mädels bequatschen, Musik bequatschen – und all diese Dinge sind dringend erforderlich und dürfen nicht einen Moment lang vernachlässigt werden. Aber denk immer dran, Mann, trotz all der Dinge, die du zu tun hast, denk an die Bäume vom Van Cortlandt Park, grün und frei und von Ruß bedeckt. Ich muß da sofort hin.
Zuerst allerdings muß ich zum Tompkins Square Park, wo zweifellos fünfzehnjährige Ausreißerinnen zusammenkommen. Zuerst allerdings muß ich mir Wind machen, muß ich mir Kühlung verschaffen mit meinem tragbaren batteriebetriebenen Fan, bevor ich vor Hitze umfall in diesem verdammten Mantel. Ne kühle Brise, Mann, über die Braue.
Warum ichs nich mit chinesischen Papierfächern mach, Mann, das kommt daher, daß ich lange nicht in Chinatown war, aber HEUTE ABEND muß ich da hin. Nimms aufs Band auf, Mann, damit dus nich vergißt. »Wir fahren abends nach Chinatown zum Essen, Mann. Es steht auf Dem Plan. Paß auf, daß ichs nich vergesse, ja?« Der Plan ist jetzt auf meinem Horse-Badorties-Tonband. Später, wenn ich vergessen hab, wer ich bin, kann ich immer das Gerät anstellen und hören, daß ich Horse Badorties bin, auf dem Weg nach Chinatown. Und jetzt, Mann, muß ich aus diesem Hauseingang raus und die Straße lang.
Das ist ein Horse-Badorties-Schritt und das is noch einer. Mit Erfolg überquer ich die Straße, Mann, aber alles halt, STOP! Ich hör puertoricanische Musik, Mann.
Rasch grab ich aus dem Horse-Badorties-Überlebensbeutel Commander Schmocks kaiserliche rotchinesische Militärmütze aus, Mann, setz sie auf den Kopf und klapp die dickken daunengefüllten Ohrenschützer über meine Ohren, Mann, schalt das Geräusch von puertoricanischen Kürbiskopfspielern aus, die
muy bonita
micorazón
singen.
Ich hör immer noch ein entferntes Geräusch, Mann, aber ich hau schnell ab. Commander Schmocks Mütze hat wieder mal meine Trommelfelle gerettet, Mann, vor nem Anschlag schlimmer als ukrainische Volkslieder. Meine Commander-Schmock-Mütze ist eine Wintermütze, und obwohl es Sommer ist, trag ich sie, auf meinem Weg zum Tompkins Square Park, und jetzt, Mann, JETZT weiß ich, warum.
Endlich weiß ich, warum ich diesen Mantel mitgenommen hab. Um keine Aufmerksamkeit auf die ungewöhnliche Anwesenheit der Commander Schmockschen kaiserlichen Wintermütze mit den anti-puertoricanischen Musik-Ohrenklappen zu lenken, Mann, die dem Auge eines streifenden Polizisten auffallen könnte. Ich zieh den Wintermantel an, Mann, damit der Polyp, der mich mit Wintermütze und -mantel sieht, nur feststellt, daß meine Kleidung komplett ist. Und bis er drauf kommt, daß irgendwas nicht stimmt, werd ich längst zu einer kleinen Schweißpfütze auf dem Bürgersteig zusammengeschmolzen sein. Und jetzt, Mann, seh ich Mädels, die im Tompkins Square Park spazierengehn.
»Hey, Baby, hier ist ein Blatt mit Noten für dich. Halts fest bis heute abend und brings zur St.-Nancy-Kirche auf der Bowery mit. Sing diese Musik und du bist voll von aufregenden Schwingungen.«
»Ach, ich kann aber keine Noten lesen.«
»Diese Musik wartet auf dich, Baby, genau unterhalb der Oberfläche deines aufwachenden Bewußtseins. Komm heute abend um acht in die St.-Nancy-Kirche und du wirst den Weg in die Höhen augenblicklicher musikalischer Meisterschaft finden. Nach der Probe gibt dir Maestro Badorties eine Privatstunde in seiner Fourth-Street-Musikakademie, über dem puertoricanischen Gemischtwarenladen, wo er und sein Stab, mit unbegrenztem Kredit versehen, Partysandwiches eingekauft haben und aus leuchtend bemalten Büchsen ausgewählte Teesorten aufbrühen werden. Studier diese Noten den ganzen Tag, Baby … bis heute abend.«
»Kann ich eine Freundin mitbringen?«
»Die Akademie öffnet ihre Arme allen Studentinnen unter sechzehn, die ein spezielles Stipendium erhalten einschließlich eines eigenen Zimmers. Momentan verhandeln wir mit dem Hauseigentümer über die Anmietung des gesamten obersten Stocks des Gebäudes. Sings heute abend und bring deine Freundinnen mit.«
Ich könnt jeden Augenblick ohnmächtig werden, Mann. Zu große Anspannung meiner wertvollen Energien in diesem
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