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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Tag lang geheult und auch die Nacht schlecht geschlafen. Sie kommen hier nichtrein, ich melde Sie gar nicht erst an. Seine Exzellenz haben schon gestern gedroht, den Leuten vom Revier den Kopf abzureißen, weil sie dem werten Fräulein mit Fragen so zugesetzt haben. Da ist die Tür, wenn ich bitten darf!« Das Scheusal war bereits dabei, ihn mit seinem dicken Bauch in Richtung Ausgang zu schieben.
    »Und Fräulein Pfuhl?« rief Fandorin in heller Verzweiflung. »Emma Gottliebowna, achtundvierzig? Wenigstens mit ihr müßte ich ein Wörtchen reden! Wichtige Staatsangelegenheit!«
    Der Portier schmatzte hochnäsig.
    »Zu ihr, das ist was anderes. Von mir aus. Dort vorn, die Treppe runter. Den Gang entlang, dritte Tür rechts. Dort wohnt das Fräulein Gouvernante.«
     
    Auf sein Klopfen öffnete ein großes, knochiges Wesen und schaute den Besucher stumm aus runden braunen Augen an.
    »Polizei, Fandorin. Sie sind Fräulein Pfuhl?« fragte Fandorin nicht sehr sicher und wiederholte noch einmal auf deutsch:
    »Polizeiamt. Sind Sie Fräulein Pfuhl? Guten Abend.«
    »Guten Abend«, erwiderte die Dürre schroff. »Emma Pfuhl, jawohl. Gommen Sie rein. Setzen Sie sich dort auf dän Stuhl.«
    Fandorin setzte sich, wohin ihm geheißen worden war, nämlich auf einen Wiener Stuhl mit geschwungener Lehne – er stand vor dem Schreibtisch, worauf in akkurater Ordnung ein paar Lehrbücher und Stöße von Schreibpapier lagen. Das Zimmer war hell und schön, aber langweilig eingerichtet, es wirkte wie tot. Drei Töpfe üppig blühender Geranien auf dem Fensterbrett waren der einzige Farbfleck im Raum.
    »Sie gommen wohl wägen dieses dummen Jungen, der sichbeschossen hat?« fragte Jungfer Pfuhl. »Ich hab schon gestern auf alle Fragen geantwortet vom Herrn Bolizeier, aber wenn sie noch welche haben, fragen Sie. Die Arbeit der Bolizei ist sähr wichtig, ich verstehe das. Mein Onkel Günther war Oberwachtmeister bei der sächsischen Bolizei.«
    »Ich bin Kollegienregistrator«, präzisierte Fandorin, der nicht wollte, daß man ihn für einen Wachtmeister hielt. »Beamter im vierzehnten Rang.«
    »Jaja, die Ränge genne ich auseinander.« Die Deutsche nickte und wies mit dem Daumen auf den Kragenspiegel seines Uniformrocks. »Also, Herr Gollegienregistrator, ich höre.«
    In diesem Moment sprang die Tür auf, und das blonde Adelsfräulein mit entzückend geröteten Wangen flog, ohne angeklopft zu haben, herein.
    »Fräulein Pfuhl! Morgen fahren wir nach Kunzewo! Ehrenwort! Papa hat’s erlaubt!« tat sie noch von der Schwelle kund. Als sie den Fremden bemerkte, stockte sie und verstummte irritiert; dabei blickten ihre grauen Augen voll brennender Neugier zu dem jungen Amtsmann herüber.
    »Wohlerzogene Freifräuleins gähen, sie rennen nicht«, sagte die Gouvernante mit aufgesetzter Strenge. »Besonders die, die schon siebzehn Jahre sind. Wenn Ihr gämt gegangen, nicht gerannt, hättet Ihr genug Zeit, den fremden Gast zu sähen und zu begrüßen, wie es sich gehört.«
    »Guten Tag, mein Herr!« wisperte die bezaubernde Erscheinung.
    Fandorin war aufgesprungen und verbeugte sich, dabei fühlte er sich miserabel. Das Fräulein gefiel ihm gut – so ausnehmend gut, daß der arme Schriftführer fürchten mußte, sich auf der Stelle, Hals über Kopf in sie zu verlieben, was auf gar keinen Fall geschehen durfte. Selbst in früheren, besserenZeiten, als der Vater noch lebte, wäre solch eine Prinzessin keine Partie für ihn gewesen – um wieviel weniger jetzt.
    »Guten Tag!« sagte er betont trocken, runzelte finster die Brauen und fügte im stillen an: Welche traurige Figur soll ich hier abgeben?
Er war leider nur Titularrat / Und sie Generals liebstes Kind
? Nein, meine Dame, da wird nichts draus. Bis zum Titularrat gehen sowieso noch allerhand Jahre ins Land.
    »Kollegienregistrator Fandorin, Erast Petrowitsch, Kriminalhauptamt«, stellte er sich in förmlichem Ton vor. »Ich ermittele bezüglich des gestrigen, bedauerlichen Vorfalls im Alexandergarten. Es macht sich erforderlich, noch einige Einzelheiten zu klären. Doch wenn es Ihnen unangenehm ist – ich kann sehr gut verstehen, daß die Sache Sie mitgenommen hat –, so kann ich das Nötige auch mit Fräulein Pfuhl allein besprechen.«
    »Ja, es war schrecklich.« Die Augen des Fräuleins, ohnehin groß, weiteten sich noch mehr. »Zwar hab ich extra die Augen zugekniffen und fast nichts gesehen, außerdem verlor ich dann die Besinnung … Aber ich finde das alles furchtbar spannend.

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