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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Fräulein Pfuhl, darf ich vielleicht dabeibleiben? Ach, bitte! Ich bin ja schließlich genauso Zeugin wie Sie!«
    »Ich für mein Teil fände es im Interesse der Ermittlungen auch besser, wenn das Freifräulein anwesend sein könnte«, ergab sich Fandorin der Versuchung.
    »Ordnung muß sein.« Emma Gottliebowna nickte. »Ihr wißt, das ist eine deutsche Redensart, die hab ich Euch oft genug ans Herz gelägt. Man muß das Gesetz achten. Ihr dürft bleiben.«
    Lisanka (Fandorin, der zielstrebig die Kontrolle über sich verlor, war bereits soweit, das Fräulein insgeheim so zu nennen) ließ sich erwartungsvoll auf dem ledernen Diwan nieder und schaute unseren Helden unverwandt an.
    Der riß sich zusammen und begann, an Fräulein Pfuhl gewandt, die Befragung:
    »Wenn Sie mir vielleicht bitte das Äußere jenes Herrn beschreiben würden?«
    »Der sich geschossen hat?« fragte sie zurück. »Na ja. Braune Augen, braune Haare, gewachsen ziemlich groß, ohne Bart, auch ohne Goteletten, sähr junges Gesicht, allerdings kein sähr gutes. Und die Gleidung …«
    »Zur Kleidung kommen wir noch«, unterbrach sie Fandorin. »Sie sagen, kein sehr gutes Gesicht. Wieso? Hatte er Pickel?«
    Lisanka mußte das Wort übersetzen und errötete dabei.
    »Ach so, Biggel, ja«, die Gouvernante ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. »Das heißt, nein, Biggel hatte der Herr geine. Er hatte gute, gesunde Haut. Aber das Gesicht war nicht gut.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es war böse. Der guggte, als wollte er nicht sich umbringen, sondern wen ganz anderes. Oh, das war gräßlich!« Emma Gottliebowna wurde von Erinnerungen überwältigt. »Und das im allerwärtesten Sonnenschein! Die Damen und Herren schbazieren, der Garten herrlich, in voller Blüte!«
    Fandorin war bei dem etwas anzüglichen Wort »allerwertesten« flammend rot geworden und schielte aus den Augenwinkeln nach Lisanka hinüber, die aber schien an die leicht verschrobene Ausdrucksweise ihrer Dueña gewöhnt und blickte so sonnig und zutraulich wie vorher.
    »Aber hatte er einen Zwicker? Vielleicht nicht auf der Nase, aber irgendwie aus der Tasche hängen, so am seidenen Bändchen?« Die Gouvernante wurde nun mit Fragen überschüttet. »Und kam er Ihnen nicht irgendwie krumm vor? Ach, und noch etwas: Ich weiß, er trug einen Gehrock, abertrotzdem, vielleicht erinnerte Sie irgend etwas an ihm an einen Studenten? Monturhosen vielleicht? Haben Sie darauf achtgegeben?«
    »Ich habe stäts auf alles achtgegäben!« versetzte die Deutsche mit Würde. »Die Hosen waren gariert, aus teurer Baumwolle. Ein Zwigger war nicht. Grumm auch nicht. Der Herr hatte gute Haltung.« Sie stutzte und fragte noch einmal nach. »Grumm, mit Zwigger und Student? Warum fragen Sie das?«
    »Warum nicht?« fragte Erast Fandorin gespannt.
    »Eigenartig. Da war ein Herr. Ein grummer Student mit Zwigger.«
    »Wie? Wo?« ächzte Fandorin.
    »So einen Herrn habe ich gesehen … wie sagt man:
jenseits
… also hinter dem Zaun, auf der Straße. Er stand da und guggte zu uns. Ich dachte noch, der Herr Student, der hilft bestimmt uns gleich und vertreibt den schregglichen Menschen. Ja, und der ging sähr grumm. Das hab ich hinterher gesehen, als der Herr sich hatte schon totgeschossen. Wie der Student hat sich umgedreht und ist weggerannt, da sah ich, wie grumm der ging. Das gommt, wenn man die Ginder nicht gleich lehrt gerade sitzen. Gerade sitzen ist wichtig. Meine Zöglinge sitzen immer gerade. Sähen Sie das Fräulein Baronesse. Wie gerade Sie den Rücken hält. Das ist sähr schön!«
    Worauf Baronesse Jelisaweta Alexandrowna errötete, und zwar so allerliebst, daß Fandorin umgehend den Faden verlor – obwohl der Hinweis des Fräulein Pfuhl selbstverständlich von außerordentlicher Brisanz war.

VIERTES KAPITEL,
    welches von der unheilvollen Macht der Schönheit kündet
    Am nächsten Tag, gegen elf Uhr morgens, steuerte Erast Fandorin, von seinem Vorgesetzten belobigt und gar mit drei Rubeln für extraordinäre Ausgaben versehen, auf das gelbe Universitätsgebäude an der Mochowaja zu. Seine Aufgabe war simpel, sie zu lösen bedurfte jedoch eines glücklichen Zufalls: Es galt, den krummen, nicht eben ansehnlichen, teils pickligen Studenten mit Zwicker am Seidenband ausfindig zu machen. Dabei konnte es natürlich sein, daß der verdächtige Herr überhaupt nicht an der Universität studierte, sondern zum Beispiel an der Technischen Hochschule, der Forstakademie oder gar an irgendeinem

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