Fangboys Abenteuer (German Edition)
machte, und bestraften ihn sogar, wenn es nötig war, aber er fühlte sich immer geliebt.
War er bei ihnen glücklicher als bei seinen leiblichen Eltern? Das ist eine unfaire Frage. Wenn er die Möglichkeit hätte, die Vergangenheit zu ändern, hätte er mit Sicherheit seinem Vater und seiner Mutter das Leben gerettet und gespannt dem Besuch des Süßwarengeschäfts erwartet. Jetzt ging er gerne Lebensmittel einkaufen, aß gerne in billigen Restaurants und genoss das Leben zwischen Vorgarten und Hinterhof.
Er hätte die Vergangenheit geändert, wenn er könnte, aber da er es (nach bestem Wissen) nicht konnte, würde er einfach das Leben führen, das ihm gegeben war, und würde es genießen, glücklicher zu sein, als er es jemals war.
Das Glück wurde jedoch durch die Furcht vor seinem ersten, immer näher rückenden Schultag beeinträchtigt. Ihm gefiel der soziale Umgang wie etwa beim Hamburger bestellen, aber den ganzen Tag in einem Klassenzimmer eingesperrt sein? Mit anderen Kindern? Die ihn im Chor ›Fangboy‹ riefen? Und die böswillige Bilder von ihm malen könnten, in denen sie seine Zähne noch größer und schärfer darstellen, als sie waren? Das hörte sich an, als könnte es gewaltig schief gehen.
»Könnt ihr mich nicht einfach zu Hause unterrichten?«, fragte er Penny und Mary.
Penny, die auf der Couch saß, klopfte leicht auf das Polster neben sich. »Komm her, Nathan, und lass mich dir eine Geschichte erzählen!«
Nathan setzte sich neben sie.
»Es war einmal ein kleiner Junge, ein Junge, der eigentlich so ausgesehen hat wie du. Dieser kleine Junge wollte nicht zur Schule gehen. Aber wir haben dafür gesorgt. Und er ist gegangen. Ende.«
»Das war keine sehr gute Geschichte«, meinte Nathan.
»Weil sie auf der Realität beruht. Willst du wirklich, dass wir dir so viel Zeit wie ein Lehrer widmen, um dich zu unterrichten? Soll ich meinen Job kündigen und zulassen, dass Mary uns durchfüttert? Willst du dir vielleicht einen Job suchen?«
»Es tut mit leid«, sagte Nathan. »Ich werde zur Schule gehen.«
»Ja, das wirst du. Und du wirst gute Noten mit nach Hause bringen. Deine Handschrift ist so grauenvoll, dass man meinen könnte, du hättest spitz zulaufende Finger anstatt Zähne. Was ist sechs mal sieben?«
»Das weiß ich nicht, aber sechs mal fünf ist dreißig.«
»Das Fünfer-Einmaleins ist einfach. Du musst noch viel lernen, Nathan Pepper, und du wirst wie jedes andere Kind zur Schule gehen.«
Nathan nickte und schämte sich, dass er jemals widersprochen hatte. Das war seine Chance auf ein normales Leben. Er konnte nicht erwarten, dass jemand seinen Job kündigte und ihn davor bewahrte, sich zu blamieren. Wann war aus ihm so ein selbstsüchtiger Junge geworden? Er würde zur Schule gehen und fleißig lernen und das Einmaleins üben und fähig sein, jedes Land auf der Weltkarte zu zeigen, und schlau werden und Dinge erfinden und reich werden und mit den Schwestern in eine Villa mit Butler und Gärtner und einem Spezialzimmer voller Schmetterlinge ziehen.
Er würde die Welt verändern!
Neun
Zwei Wochen vor Schulbeginn lag Nathan im Bett und war kurz vorm Einschlafen, als er entdeckte, dass einer seiner Zähne locker war.
Einer der Eckzähne, die man rechtmäßig als einen Reißzahn bezeichnen konnte. Oben links. Wenn er ihn mit seiner Zunge anstieß, wackelte er. Nathan lag einen Moment lang da, wackelte an seinem Zahn herum, dann stieg er aus dem Bett und rannte in Pennys Zimmer. Sie saß lesend in ihrem Bett.
»Schau!«, sagte er, öffnete stolz seinen Mund und bewegte den Zahn. »Mein erster loser Zahn!«
Penny beugte sich nach vorn. »Ich glaube, du hast recht!« Sie rief Mary ins Zimmer, und sie bewunderten beide den losen Zahn, die Art, wie er vorwärts und rückwärts wackeln konnte.
Sie hatten im Vorfeld darüber gesprochen. Mary hatte Nathan erzählt, dass seine Zähne über kurz oder lang anfangen würden auszufallen, einer nach dem anderen, und dass es nichts war, wovor er sich fürchten müsste. Es gehörte zum natürlichen Lauf der Dinge, und neue Zähne würden an ihrer Stelle nachwachsen.
»Werden das normale Zähne sein?«, hatte Nathan gefragt.
»Das werden wir erst wissen, wenn wir sie sehen. Vielleicht. Wenn alles vorbei ist, wirst du vielleicht einen Mund voller normaler Zähne haben, genau wie jeder andere auch.«
Penny hatte sie zum Schweigen gebracht und ihr gesagt, sie wäre gemein, und dass es falsch wäre, ihm solche Hoffnungen zu machen. Mary
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