Fangjagd
Kunststoffboot mit Außenbordmotor stromaufwärts fahren. Im Heck des Boots kauerte ein einzelner Mann.
Der Engländer trat in den Schatten zurück, ohne zu wissen, ob er gesehen worden war. Auf dem Wasser hob der Mann im Boot ein Sprechfunkgerät an den Mund. Newman war von einer Seite beobachtet worden, die er nicht beachtet hatte vom Fluss. Es musste einfach gewesen sein, Novak und ihn an ihrem Tisch in dem beleuchteten Restaurant im Auge zu behalten. Meldete dieser Mann jetzt, daß der Engländer soeben das Hotel Freienhof verlassen hatte?
Bern gleicht einem riesigen Ozeandampfer aus Fels und Stein, der über die weite Landschaft emporragt. Das Stadtzentrum von Thun dagegen liegt in einem Becken auf der Insel.
Newman sah zum Nordufer auf, wo bewaldete Hänge steil anstiegen und die Lichter der Häuser wie Diamanten funkelten.
Er verließ die Brücke, überquerte die Straße und verschwand in einer der zahlreichen Lauben, die kleiner als die in Bern waren.
Newman kehrte auf Umwegen zu seinem Wagen zurück. Er hielt nach einem roten Porsche, nach Lee Foley und nach anderen Verfolgern Ausschau.
Ein Blick nach Süden zeigte Newman am Ende der Straße die schemenhaften Umrisse eines riesigen, verschneiten Berges. Er ging langsam weiter, horchte nach allen Seiten, passierte eine der alten holzgedeckten Brücken, die rechts von ihm übers Wasser führte, und konnte im Norden, auf dem höchsten Punkt unmittelbar über der Stadt, die mächtigen Wälle und Türme des uralten Schlosses sehen, dessen im Sternenlicht nur undeutlich sichtbare Silhouette unheimlich wirkte. Das einzige Geräusch war das Rauschen der Aare. Newmans Entschluss stand jetzt fest.
Der Engländer hatte nicht nur Umwege gemacht, um etwaige Verfolger abzuschütteln, sein einsamer Spaziergang durchs nächtliche Thun hatte ihm auch Gelegenheit gegeben, nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Die letzte Aussage Novaks ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Kobler hat mir erklärt, er habe mir ohnehin vorschlagen wollen, heute Abend frei zunehmen … zuletzt hat er das an dem Abend getan, an dem Hannah Stuart gestorben ist…
Newman ging rasch zu seinem Citroen zurück, stieg ein, ließ den Motor an und fuhr durch leere Straßen bergauf in Richtung Thun Nord – zur Klinik Bern.
Im Scheinwerferlicht sprang die Schreckensszene Newman förmlich entgegen, als er über den letzten Höhenzug kam. Er hatte sich diesmal für eine Route entschieden, die ihn aus Nordosten kommend am Haupttor der Klinik Bern vorbeiführen sollte. Parallel zum Straßenrand rechts neben ihm verlief der Maschendrahtzaun, der das weitläufige Klinikgelände begrenzte. Newman wusste, daß das Labor etwa auf seiner Höhe in einiger Entfernung hinter dem Zaun liegen musste, obwohl es wegen seiner Lage in einer Senke von der Straße aus nicht einzusehen war.
Im Scheinwerferlicht erkannte er ein weit offenstehendes Tor in dem Maschendrahtzaun. Davor standen zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Auf dem Klinikgelände lief eine Frau über den steinigen Boden bergauf in Richtung Tor-eine Frau in einem Morgenrock oder Bademäntel. Im Halbdunkel hinter ihr war eine Gestalt zu erkennen, die ihr in großen Sprüngen folgte. Einer der verdammten Dobermänner! Die Frau rannte stolpernd weiter. Vor einem der beiden Streifenwagen standen zwei Personen: Beck und Nancy!
Der Dobermann würde die Flüchtende unweigerlich einholen, denn sie war noch zu weit vom Tor entfernt. Großer Gott! Ein regelrechter Alptraum. Newman hielt an und sah, daß Beck, der breitbeinig im Scheinwerferlicht stand, beide Hände hob.
In der rechten Hand hielt er eine Pistole, während die linke das andere Handgelenk umklammerte. Hinter Newman bremste ein weiteres Auto kein Polizeifahrzeug. Jemand sprang aus dem Wagen. In diesem Augenblick drückte Beck ab. Der Dobermann bäumte sich im Sprung auf, schien sekundenlang in der Luft zu hängen und brach dann, sich überschlagend, zusammen. Newman hatte Mühe, den Überblick zu behalten, weil sich die Ereignisse überstürzten.
Newman stieg aus. Der zuletzt Angekommene war Hauptmann Rene Lachenal diesmal in Uniform. Die Frau stolperte durch das Tor auf die Straße und brach zusammen. Newman sah, daß sie unter ihrem warmen Morgenrock einen Schlafanzug und feste Schuhe trug, an denen Schneebrocken hingen.
Nancy beugte sich bereits über die bewegungslos daliegende Gestalt. Beck sprach in sein Handfunkgerät. Newman zählte sechs Polizeibeamte in Ledermänteln
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