Fangjagd
zehn Pferde hier raus!“
„Du wolltest mich sprechen, Bruno?“
Kobler stand von seinem Schreibtisch auf und klappte die Krankenakte zu, in der er gelesen hatte – die Akte Jesse Kennedy. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und zögerte, weil er nicht wußte, wie sein Arbeitgeber reagieren würde.
„Sprich, falls dir etwas Sorgen macht, Bruno. Bisher hat dein Instinkt für Probleme sich als unfehlbar erwiesen. Haben wir ein Problem?“
„Es betrifft Willy Schaub, unseren Hausmeister. Ich habe gesehen, daß er lange mit Dr. Novak gesprochen hat, bevor er für heute nach Hause gefahren ist. Und Schaub ist sehr geldgierig“, fügte Kobler hinzu, der selber ein fürstliches Gehalt einstrich.
„Und?“
„Schaub wohnt in Bern in der Gerberngasse. Ich glaube, daß es sich lohnen würde, ihn dort zu überwachen.“
„Einverstanden!“ sagte der Professor.
Lee Foleys Absicht, einen geruhsamen Nachmittag im Hotel zu verbringen, wurde durch den Anruf zunichte gemacht. Der Amerikaner vergeudete keine Zeit, zog Jeans und Windjacke an und verließ das Hotel mit einer Reisetasche in der linken Hand.
Wie Newman hatte er herausgefunden, daß man das Bellevue Palace ungesehen verlassen konnte, indem man ins Tiefparterre hinunter fuhr, an der Garderobe vorbeiging und den Ausgang bei der Snackbar benützte. Er überquerte die Straße, betrat das Cafe gegenüber dem Hotel und bestellte eine Portion Kaffee.
Als das Getränk serviert wurde, bezahlte Foley gleich. Der Porsche parkte in der nächsten Seitenstraße, so daß er im Augenblick nichts anderes tun konnte, als seinen Kaffee zu trinken und den Hotelausgang zu beobachten.
Newman fuhr einen weiten Umweg, um zur Gerberngasse 498 zu gelangen, wo Willy Schaub wohnte. Novak hatte das Treffen für 15 Uhr vereinbart, deshalb verließ der Engländer das Bellevue Palace eine halbe Stunde vorher.
Zu den großen Vorzügen von Bern gehörte nach Newmans Überzeugung die Tatsache, daß es hier ziemlich einfach war, ein Verfolgerauto abzuschütteln. Die kreuz und quer verlaufenden Straßen und Gassen boten dafür zahlreiche Möglichkeiten – und bei etwas riskanter Fahrweise konnte man auch die Straßenbahnen als rollende Hindernisse ausnützen.
Um 14.50 Uhr fuhr Newman die Aarstraße links neben dem Fluß entlang. Hinter den Schleusen verlief die Schifflaube, die ihn tief in das Altstadtviertel mit seinen uralten Häusern brachte. Dann erreichte er die Gerberngasse, fuhr in der Nähe der Nydeggbrücke langsamer und stellte den Citroen in einer Parklücke ab.
Die alten Häuser auf beiden Straßenseiten bildeten einen geschlossenen Wall, eine mehrere Stockwerke hohe Doppelreihe teils unproportionierter, häßlicher Gebäude. Um diese Zeit war die Gerberngasse menschenleer, und der Nebel, der mittags verschwunden war, stieg allmählich wieder auf. In der Schlucht zwischen den uralten Häusern war es so still, daß man glauben konnte, das Rauschen der Aare zu hören.
Willy Schaubs Haus stand auf der linken Straßenseite im Schatten der hoch darüber hinwegführenden Brücke. 14.55 Uhr. Newman warf einen Blick die überdachte Treppe hinauf, die nach oben zur Brücke führte, und ging zu Schaubs Haus zurück. Er drückte auf den Klingelknopf neben dem Namensschild und bewegte unbehaglich die Schultern. Die Pistole in dem Schulterhalfter unter seinem linken Arm war noch immer sehr ungewohnt.
Ein gedrungener, ziemlich dicker Mittfünfziger, der eine Flasche Bier in der linken Hand hielt – die Erklärung für seinen Schmerbauch, dachte Newman –, öffnete die knarrende Haustür und starrte den Besucher mißtrauisch an. Schütteres weißes Haar krönte einen rübenförmigen Kopf, an dem nur die hellwachen Augen, die Newman anstarrten, klein waren.
„Willy Schaub?“
„Wer sind Sie überhaupt?“ knurrte der Dicke unfreundlich.
„Robert Newman. Sie erwarten mich. Ich sollte um drei Uhr zu Ihnen kommen…“
„Haben Sie einen Ausweis da?“
Newman seufzte hörbar. „Vielleicht ist’s keine allzu gute Idee, mich hier deutlich sichtbar warten zu lassen, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Er zeigte seinen Reisepaß vor, schlug die Seite mit dem Photo auf und hielt Schaub zuletzt den Umschlag mit dem Namen hin.
„Gut, kommen Sie rein.“
Das düstere, modrig riechende Hausinnere war eigenartig gestaffelt, weil die Stockwerke dem Steilhang entsprachen, an dem es gebaut war. Newman folgte dem keuchenden Schweizer drei enge Treppen hinauf und fragte sich, ob der andere
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