Fangjagd
– als ich zufällig auch im Bewick’s gewesen bin?“
„Zufällig?“ Nancy lächelte amüsiert. „Halb London hat gewußt, daß du mit deiner neuesten Begleiterin dort aufkreuzen würdest. Es ist übrigens schon sieben – müssen wir nicht allmählich hinunter?
Ich
bin jedenfalls bereit und kann’s kaum noch erwarten!“
„Augenblick, ich muß noch diese verdammte Schleife binden.
Du bist nervös, was? Das merke ich dir an.“
„Das sind viele Ärzte vor einer schwierigen Operation – und wer’s nicht ist, taugt wahrscheinlich nicht viel. Aber eines kann ich dir sagen, Bob. Sobald ich dort unten aufkreuze, bin ich ruhig und gelassen. Wie mächtig Grange ist, läßt mich völlig kalt. Er bekommt einiges von mir zu hören!“
„Ganz nach Art der alten Pioniere“, meinte Newman scherzhaft, während er sich die Schleife band. „So was gibt’s nur noch in Arizona. Fertig! Können wir gehen?“
Nancy hängte sich bei ihm ein, als sie zum Aufzug gingen. Der Empfang fand in dem großen Salon zwischen Hotelhalle und Terrassenrestaurant statt. Der Salon war mit kostbaren Teppichen ausgelegt – darunter auch mit einem riesigen Perser mit Jagdmotiven. An einem langen kalten Buffet gab es Champagner und Hors d’ceuvres. Die ersten drei Dutzend Gäste waren bereits anwesend. Newman hielt Nancy am Arm zurück.
„Komm, wir sehen uns erst einmal an, wer alles da ist. Dieser Abend kann entscheidend sein …“
Blanche Signer unterhielt sich mit Beck. Sie trug ein smaragdgrünes, tief ausgeschnittenes Seidenkleid, das ihre sehenswerte Figur noch betonte. Ihr kleinen Füße steckten in hochhackigen Goldpumps.
„Deine nächste Eroberung?“ fragte Nancy, die Newmans Blick verfolgt hatte.
„Ich wüßte nur zu gern, was Beck hier zu suchen hat…“
In einem der an die Wand gerückten Sessel saß Lee Foley mit einem Glas in der Hand und musterte mit kühlem Blick die Anwesenden. Tweed, der sich in seinem Smoking sichtlich unwohl fühlte, hatte zwei Sessel weiter Platz genommen und .beobachtete seine Umgebung ohne sonderliches Interesse.
An der Rückwand des Salons hielt ein sehr großer, schwerfälliger Mann mit getönten Brillengläsern Hof. Er hatte ein halbes Dutzend Gäste um sich versammelt, die ihm aufmerksam zuhörten. Seine linke Hand lag mit gestreckten Fingern an der Hosennaht, während er in der rechten ein Champagnerglas hielt. Durch eine sekundenlang entstehende Lücke in der Menge konnte Newman ihn gut betrachten. Ein riesiger Schädel mit blassem Teint und sich kaum bewegenden Lippen. Am auffälligsten an ihm fand Newman seine fast bewegungslose Haltung.
„Ist das dort drüben Professor Grange?“ fragte Nancy einen Ober, der mit einem Gläsertablett an ihnen vorbeikam.
„Ganz recht, Madame. Darf ich Ihnen ein Glas Champagner anbieten?“
Beide nahmen sich ein Glas, um nicht aufzufallen. Newman trank den Champagner in kleinen Schlucken und hörte um sich herum Stimmengewirr und Gläserklingen. Ein weiterer großgewachsener Mann drängte sich ohne Entschuldigung an ihm vorbei und marschierte aufrecht und selbstbewußt auf die Gruppe um Grange zu. Viktor Signer war eingetroffen.
„Kobler ist nirgends zu sehen“, sagte Newman halblaut zu Nancy. „Das beunruhigt mich…“
„Wahrscheinlich hat er als Stallwache in der Klinik bleiben müssen.“
„Vermutlich hast du recht. Komm, wir machen einen kleinen Rundgang. Wann willst du dir Grange vorknöpfen?“
„Bob!“ Sie umklammerte seinen Arm. „Augenblick! Sieh dir das an!“
Newman beobachtete den geradezu unheimlichen Zwischenfall. Grange hatte soeben Signer begrüßt, als ein Ober mit seinem Gläsertablett stolperte und ihm ein volles Glas Champagner über die Smokingjacke kippte. Der sichtlich entsetzte Ober lief mit der zusammengelegten Serviette, die er über dem Arm getragen hatte, zum Buffet, tauchte sie in einen Eiskübel, kam damit zu Grange zurück und machte sich daran, ihm die Jacke zu säubern.
Unheimlich wirkte dieser Zwischenfall deshalb, weil Grange völlig bewegungslos verharrte, während der Ober die durchfeuchtete Jacke abtupfte. Sein linker Arm zeigte wie vorher senkrecht nach unten, seine große Gestalt wirkte buddhaähnlicher als zuvor, während er weiter Signer zuhörte und den Ober ignorierte, als sei überhaupt nichts passiert. Das war anomal, unnatürlich. Newman starrte Grange ungläubig an, bis Nancys Stimme ihn aus seiner Faszination riß.
„Mein Gott, hast du das gesehen?“ fragte sie nervös.
Weitere Kostenlose Bücher