Fangjagd
Als Sie mich vor Ihrem Abflug aus London angerufen haben, sind Sie nicht sonderlich gesprächig gewesen…“
„Nicht an einem Telefon, das abgehört werden kann…“
Tweed informierte Nagel nun über alle ihm vorliegenden Erkenntnisse – auch über die Gasmaske, die ein „Kurier“ aus Wien nach London gebracht hatte, und Manfred Seidlers Rolle.
Der Schweizer hörte schweigend zu, während er seine Havanna paffte. In seiner entspannten Haltung erinnerte er Tweed an einen ruhenden Gorilla, einen liebenswerten, tatkräftigen, höchst intelligenten Gorilla. Seine ganze Persönlichkeit strahlte Charakterstärke aus, und seine Energie war geradezu sprichwörtlich.
„Ich wiederhole“, sagte er, als Tweed mit seinem Bericht zu Ende war, „wie sieht Ihre Strategie aus?“
„Ich will Grange auf jede nur denkbare Weise unter Druck setzen. Der psychologische Druck muß so stark werden, daß er irgendwann einen Fehler macht. Ich glaube nicht, daß uns noch viel Zeit bleibt, Max. Kann ich übrigens einen weiteren Satz dieser Photokopien haben?“
„Selbstverständlich! Hier, bitte sehr. Verraten Sie mir auch, wer ihn bekommen soll?“
„Unser gemeinsamer Bekannter Newman – auf dem Umweg über einen Mittelsmann, damit er nicht weiß, von wem die Informationen in Wirklichkeit stammen. Ich kann nicht glauben, daß er nur deshalb hier ist, um mit seiner Verlobten deren Großvater, der als Patient in der Klinik Bern liegt, zu besuchen.“
Tweed machte eine Pause. „Max, wenn alle Stricke reißen, müssen wir vielleicht an die Öffentlichkeit gehen…“
„Das möchte ich möglichst vermeiden. Ist dieser Newman vertrauenswürdig?“
„Er bekommt diese Unterlagen nur unter der Bedingung, sie auf keinen Fall zu veröffentlichen. Vertrauenswürdig ist er unbedingt; sein Erfolg als Journalist hängt davon ab, daß er ein absolut zuverlässiger Gesprächspartner ist. Aber Grange dürfte nervös werden, wenn er erfährt, daß Newman diese Unterlagen besitzt.“
„Hoffentlich behalten Sie recht!“ meinte Nagel mit leichtem Zweifel in der Stimme. „Grange ist ein Fanatiker – darüber sind Sie sich doch im klaren? Erschreckt vor nichts zurück, um sein Ziel zu erreichen und die Verteidigungspolitik unseres Landes in seinem Sinne zu verändern. Nehmen Sie sich vor ihm in acht! Grange ist unberechenbar und sehr, sehr gefährlich. Er schlägt erbarmungslos zu, gerade wenn man’s am wenigsten erwartet…“
Eine halbe Stunde später betrat Newman, der von Blanches Wohnung aus telefoniert hatte, Becks Dienstzimmer. Der Schweizer Kriminalbeamte hatte das Gefühl, unter Beschuß zu stehen, sobald Newman zu sprechen begann.
„Ich sehe keinen vernünftigen Grund, weshalb Sie nicht noch heute mit einem kompletten Team zur Klinik Bern fahren und mit Hilfe eines Durchsuchungsbefehls nicht nur die Klinik, sondern auch das Labor unter die Lupe nehmen sollten.“
„Wollen Sie mir vorschreiben, was ich zu tun habe? Mit welcher Begründung sollte ich einen Durchsuchungsbefehl erwirken?“
„Als Begründung brauchen Sie lediglich Dr. Kleists Untersuchungsergebnisse im Fall Holly Laird anzugeben. Oder genügt Ihnen der Verdacht auf Blausäurevergiftung etwa nicht?“
„Bitte!“ Beck hob abwehrend die Hand. „Wollen Sie nicht erst Platz nehmen? Gut, meinetwegen bleiben Sie stehen! Frau Dr. Kleist hat noch keinen abschließenden Bericht vorgelegt. Mrs. Lairds Tod weist Aspekte auf, die ihr vorerst noch unerklärlich sind. Bevor ich diesen Abschlußbericht in den Händen halte, kann – und will – ich keinen Durchsuchungsbefehl erwirken.
Habe ich Ihnen nicht schon erklärt, daß ich behutsam vorgehen muß? Daß einflußreiche Kreise versuchen, mir die Ermittlungen entziehen zu lassen?“
„Gut, dann gebe ich meine Aussage über die Ereignisse der letzten Nacht im Jura zu Protokoll und gehe wieder…“
„Ich brauche auch die Aussage Ihrer Verlobten“, erklärte Beck ihm.
„Sie wartet unten. Aber ich bestehe darauf, anwesend zu sein, wenn Sie ihre Aussage zu Protokoll nehmen.“
„Tut, mir leid, das kann ich nicht gestatten!“
„Dann bekommen Sie ihre Aussage nur in Anwesenheit des besten Berner Rechtsanwalts. Was ist Ihnen lieber?“
„Das können Sie sich doch denken!“ Beck breitete die Hände aus. „Sie sind heute wirklich reizender Laune, Bob. Ich lasse Frau Dr. Kennedy jetzt herauf begleiten, damit wir beide Aussagen protokollieren und den verdammten Papierkram hinter uns haben. Ich fürchte nur,
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