Fangjagd
das Sie vorhaben, selbständig zu handeln – und sich dabei in größte Gefahr begeben…“
Ihre Aussagen waren zu Protokoll genommen, unterschrieben und von Gisela beglaubigt worden. Beck hatte Nancy höflich gebeten, einen Augenblick im Vorzimmer zu warten, weil er noch etwas mit Newman zu besprechen habe. Diesmal verblüffte er den Engländer. Er zog eine Schreibtischschublade auf und nahm ein Schulterhalfter, eine 7,65-mm-Dienstpistole und sechs Magazine heraus, die er Newman über den Schreibtisch zu schob.
„Bob, ich bin keineswegs völlig davon überzeugt, daß der Mordanschlag heute Nacht Seidler gegolten hat. Und ich glaube, daß Sie zuvor am Bahnhof Le Pont gewesen sind, als die beiden Berufskiller erschossen worden sind. Nein, unterbrechen Sie mich bitte nicht! Ich glaube, das Sie beseitigt werden sollten. Soviel ich weiß, können Sie mit Handfeuerwaffen umgehen, stimmt’s?“
„Was wollen Sie von mir?“
„Ich möchte, daß Sie diese Pistole zu Ihrem eigenen Schutz tragen.“
„Damit Sie mich bei nächster Gelegenheit kontrollieren und wegen unerlaubten Waffenbesitzes festnehmen lassen können?
Nein, danke! Ich weiß zufällig, daß ihr Schweizer in dieser Beziehung keinen Spaß versteht.“
„Dann zu Frau Dr. Kennedys Schutz …“
Beck nahm aus derselben Schublade einen ausgefüllten Waffenschein, den er ebenfalls über den Schreibtisch schob.
Newman las den Text, ohne den Schein anzurühren.
„Ich unterzeichne ihn persönlich“, fuhr Beck fort, „und Gisela – oder ein willkürlich ausgewählter Polizeibeamter – kann meine Unterschrift beglaubigen. Seien Sie vernünftig, Bob! Ich bitte Sie aus alter Freundschaft…“
Newman erklärte sich bereit, die Waffe zu nehmen.
Die Ereignisse überstürzten sich beinahe. Gegen 13 Uhr beobachtete Tweed, der in der Hotelhalle in einem Sessel saß, wie Blanche Signer mit einem Koffer in der Hand hereinkam.
Er wartete, bis sie sich angemeldet hatte, stand dann auf und erschien wie zufällig neben ihr, als der Aufzug herunterkam.
Der Engländer, der seinen Aktenkoffer in der linken Hand trug, sprach erst, nachdem sich die Kabinentür geschlossen hatte und sie allein waren.
„Kommen Sie in mein Zimmer, Blanche. Wir müssen miteinander reden…“
Sie schlüpfte ungesehen in Tweeds Hotelzimmer und ließ ihren Koffer an der Tür stehen. Mit knappen Worten erklärte sie Tweed, warum sie jetzt im Bellevue Palace wohnte – weil Newman ihr Apartment für einen ihr unbekannten Zweck benötigte.
Tweed hörte aufmerksam zu und nickte dann zustimmend. Auf diese Vorsichtsmaßnahme hätte er selbst kommen sollen.
Blanche war hier im Hotel sicherer, bis sie diesen Fall erfolgreich abgeschlossen hatten – wenn das überhaupt möglich war. Tweed nahm einen zugeklebten Umschlag mit dem zweiten Satz Photokopien, den Dr. Nagel ihm gegeben hatte, aus seinem Aktenkoffer und hielt ihn Blanche hin.
„Können Sie dafür sorgen, daß Newman diese Unterlagen so schnell wie möglich bekommt? Aber er darf nicht ahnen, von wem Sie die Papiere haben…“
„Das läßt sich bestimmt machen. Ich weiß nur nicht, wann die Übergabe klappt. Vielleicht ist er im Augenblick sogar im Hotel, aber ich möchte nicht, daß seine Verlobte mich sieht.“
Tweed lächelte mitfühlend. „Ja, ich verstehe. Aber die Sache ist brandeilig. Es kann jeden Augenblick zum großen Knall kommen…“
Newman war in das Schulterhalfter geschlüpft, hatte die Pistole hineingesteckt und ließ die vollen Magazine in seine Manteltasche gleiten, bevor er sich von Beck verabschiedete.
Er verließ das Gebäude gemeinsam mit Nancy, ohne ihr von der Waffe zu erzählen.
Er bestand auf einem in aller Ruhe eingenommenen Mittagessen im Grill Room und brachte das Gespräch dabei auf unverfängliche Themen, weil er spürte, wie nervös Nancy war.
Zwischendurch sah er mehrmals unauffällig auf seine Uhr.
„Du willst dich heute nachmittag mit dem letzten noch lebenden Augenzeugen treffen, stimmt’s?“ fragte Nancy ruhig, während sie ihn über den Rand ihres Weinglases hinweg beobachtete. „Siehst du deswegen so oft auf die Uhr?“
„Ich hab’ erst zweimal draufgesehen…“
„Dreimal !“
„Gut, dann eben dreimal.“ Newman rang sich ein Lächeln ab.
„Ja, ich komme mit ihm zusammen. Das kann ein paar Stunden dauern – mehr weiß ich selbst noch nicht. Ich wäre dir dankbar, wenn du im Hotel bleiben würdest.“
„Nach allem, was letzte Nacht passiert ist, kriegen mich keine
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