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Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Nase und energischem Kinn. Sein Teint war blass, fast blutlos. Wenn er wie jetzt reglos dastand, wirkte er wie ein menschlicher Buddha. Er besaß die Fähigkeit zu versteinert wirkender Bewegungslosigkeit.
    Der Riese trug einen dunklen Maßanzug, der mit den Schatten um ihn herum zu verschmelzen schien. Die Fensterscheiben in Koblers Büro bestanden aus goldbeschichtetem Isolierglas, das ohnehin nur gedämpftes Licht durchließ. Seine Brillengläser waren getönt, weil ihn bei grellem Licht die Augen schmerzten. Er war ein Mann, der jeden Raum, den er betrat, auch dann beherrschte, wenn er kein Wort sagte. Und seine Konzentrationsfähigkeit war phänomenal.
    „Sobald der Empfang im Bellevue stattgefunden hat, fahren alle wieder nach Hause“, sagte er zu Kobler. „Dann haben wir Gelegenheit, unserem Projekt den letzten Schliff zu geben, dann präsentieren wir
Terminal
als vollendete Tatsache. Die ideale Rundumverteidigung! Damit geht der Wunschtraum einer Generalstabsgeneration in Erfüllung.“
    Er starrte aus dem Fenster zu den fernen Bergen hinüber. Der aus tiefhängenden Wolken emporragende Felsklotz war das Stockhorn. Zwischen diesem Berg, der seit Jahrtausenden über dem See aufragte, und dem Mann, der ihn stumm und unbeweglich betrachtete, bestand eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit.
    „Das ist die Versuchsperson, die ich für heute nacht ausgewählt habe“, berichtete Kobler. Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um das Krankenblatt mit dem aufgeklebten Photo vorzuzeigen. „Sie sind doch mit meiner Wahl einverstanden, Herr Professor?“

20
    Den Rest des Tages verbrachte Newman damit, Nancy Bern zu zeigen. Ihm kam es vor allem darauf an, daß sie das Hotel für ein paar Stunden verließ. Er hatte ihren Vorwurf nicht vergessen:
Ich komme mir wie eine Gefangene vor.
    Wahrscheinlich würde er abends lange fort sein, um in Thun mit Dr. Novak zu sprechen. Er wollte ganz sichergehen, daß Nancy während seiner Abwesenheit im Hotel blieb.
    Ihr Streifzug war zugleich eine gute Therapie für Newman selbst. Er wollte nicht ständig an die beiden unerfreulichen Gespräche denken, die er Vormittags geführt hatte. Zuerst der Besuch im Leichenhaus mit Arthur Beck; danach das Gespräch in seinem Dienstzimmer. Und vorher die Auseinandersetzung – diesen Eindruck hatte er nachträglich von diesem Gespräch – mit Rene Lachenal, die Newman nicht mehr aus dem Kopf ging. Warum hatte der sonst so gelassene Lachenal sorgenvoll gewirkt? Newman rätselte darüber nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
    Es war bitterkalt, als sie Arm in Arm durch die Lauben gingen und immer wieder stehen blieben, damit Nancy sich Schaufenster ansehen konnte. Newman passte sich geduldig ihrem Tempo an, während sie die gepflasterte Marktgasse zwischen Käfigturm und Zeitglockenturm entlang schlenderten. In Richtung Nydeggbrücke schlossen sich dahinter Kramgasse und Gerechtigkeitsgasse an.
    Sie gingen mitten auf der Landzunge in Richtung Aareschleife.
    Die Straßen fielen allmählich zum Fluss hin ab, so daß die Gehsteige unter den Arkaden über der Fahrbahn lagen. Außer den schmalen, grünen Straßenbahnen, die vorbeirumpelten, herrschte kaum Verkehr.
    Vor der Nydeggbrücke blieb Newman an einer Mauer stehen und blickte auf die alten Häuser hinab, die eine tieferliegende Straße säumten. Nancy lehnte sich an ihn und sah ebenfalls hinab.
    „Die müssen schon seit Jahrhunderten dort stehen…“
    „Sie gehören zur Altstadt. Hier hat’s keine Kriege gegeben, deshalb sind die Zeugen der Vergangenheit erhaltengeblieben.
    Hoffentlich bleiben sie das auch in Zukunft! Es wäre Jammerschade, wenn diese prächtige alte Stadt beschädigt oder zerstört würde…“
    Er sprach sich gegen Nancys Vorschlag aus, Jesse zu besuchen.
    Sie beharrte nicht auf ihrer Idee, als Newman ihr auseinander setzte, welchen Nachteil sie hatte.
    „Unser Besuch könnte Novak so verunsichern, daß er abends nicht zu dem vereinbarten Treffen kommt. Ich hab’ ihm deutlich angemerkt, daß er bereits äußerst nervös war…“
    „Warum wohl?“
    „Ich glaube, daß er Angst hat. Er hat Angst – und sucht verzweifelt einen Menschen, bei dem er sich aussprechen kann“.
    „Männer, die Angst haben, scheint’s hier viele zu geben“, stellte Nancy fest. „Zu ihnen gehört beispielsweise auch Manfred Seidler. Was soll ich ihm sagen, falls er in deiner Abwesenheit anruft?“
    „Das es bei unserer Vereinbarung bleibt. Wenn er morgen anruft, können wir uns

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