Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
Vom Netzwerk:
Eingangstüren, Toiletten oder Notausgänge − am besten alles gleichzeitig – blockieren würden, als wäre das ihr schwer erkämpftes Recht. Nur um anschließend mit latent aggressivem Triumph den kinderlosen Kaffeehausbesuchern ihren mit einem nach strengsten Kriterien ausgewählten Samenspender konzipierten Nachwuchs zu präsentieren. Hochbegabte Kinder allesamt, Algebra und Latein im Kindergarten, spätestens, darunter machten es Frauen wie Annina und ihre Freundinnen nicht, und ihr Gesicht würde denselben säuerlich-entschlossenen Ausdruck mit den schmal zusammengepressten Lippen angenommen haben, der diesen Szenemüttern gemeinsam ist, die scheinbar mit Leichtigkeit Karriere und Kind kombinierten und nicht müde wurden, es wem auch immer zu beweisen. Ich seufzte und fragte mich, ob mich ihr Weggang nicht doch ein wenig verbittert hatte.
    »Ehm.«
    Ich zuckte zusammen und stürzte aus meiner Albtraumvision unsanft in mein Büro zurück, wo mich Ness hoffnungsvoll anstarrte.
    »Entschuldige«, murmelte ich und betrachtete erneut die vier Fotos. »Also: Du weißt weder seinen Nachnamen noch wo er sein könnte. Nicht gerade viel.«
    »Ich weiß, dass er mich liebt. Und dass er nicht zurückgekommen ist, heißt nur, dass ihm etwas zugestoßen ist.« Ness fuhr sich mit der Hand durchs borstige Haar.
    »Wo fand der Deal statt?«
    Erneutes Schulterzucken. »Nicht in Zürich, er hat ein paar Sachen eingepackt und ein Ticket gekauft, bevor er gegangen ist. Und die ganze Zeit so geheimnisvoll getan.«
    Ich überlegte. »Ich könnte mich ein wenig umhören. Im Quartier kenn ich ein paar Leute, vielleicht wissen die was. Dafür brauche ich die Fotos.«
    Ness nickte wenig vertrauensvoll.
    »Das ist alles, was ich dir im Moment anbieten kann. Aber Zürich ist keine Riesenstadt und die Langstrasse nicht der Broadway. Ich werde schon was rausfinden. Gib mir mal deine Telefonnummer.«
    Ness lächelte süffisant. »Sagen sie immer.«
    Ich grinste und schrieb mit. Dann erhob ich mich, und einem Gummiball gleich sprang Pluto auf und begann wieder zu knurren.
    »Wie steht’s mit der Bezahlung?«
    Ich nannte Ness meinen Preis. Sie grinste nur frech. »Philipp hat die Kohle. Also finde ihn und du kriegst deinen Anteil. Bis dahin muss das genügen.« Sie holte einen kleinen Plastikbeutel aus ihrer Hosentasche und warf ihn auf den Schreibtisch.
    »Und was soll ich damit?« Ich musterte das weiße Pulver.
    »Das ist die Anzahlung. Fünf Gramm reines Koks, beste Qualität, kriegst du auf der Straße so nicht.«
    Sie stand auf und der Pitbull trottete ihr nach, doch vor der Truhe blieb er wie angewurzelt stehen. Er knurrte heiser und im Inneren fiel etwas um. Ein Fauchen war zu hören, dann kratzte es unsicher am Holz. Eine Sekunde lang herrschte Totenstille. Dann begann der Hund, wie von Sinnen zu bellen, und zerrte mit aller Kraft an der Leine. Schaum spritzte von seinen Lefzen, seine Augen quollen hervor, jede Faser seines muskelbepackten Körpers war aufs Äußerste angespannt. Aus der Truhe war panisches Gezeter zu hören.
    Ness guckte verwirrt, und ich schrie ihr zu, sie solle sich auf der Stelle mit ihrem Köter verziehen, doch sie verstand mich nicht im ohrenbetäubenden Lärm, der mein Büro plötzlich erfüllte. Also rannte ich um sie herum, riss die Tür auf und bugsierte sie unsanft hinaus. Mit Müh und Not schleppte sie den wütend geifernden Pluto hinter sich her in den Korridor hinaus. Ich warf die Tür zu und lehnte mich einen Moment lang mit dem Rücken dagegen, bis sich mein Puls wieder halbwegs beruhigt hatte.
    »Marie Antoinette?«
    Die plötzliche Stille war mir unheimlich. Vorsichtig hob ich den Deckel der Truhe an und blickte hinein. Die Whiskyflasche, die ich in der Eile zu schließen versäumt hatte, war umgekippt. Die braune Flüssigkeit schwappte ölig auf dem Boden der Truhe, und mittendrin saß Babsis Perserkatze und leckte sich angewidert das Fell. Ich hob sie heraus, sie war klitschnass und roch wie ein alter Seebär. Vorsichtig stellte ich sie auf den Boden. Sie glotzte mich apathisch an, dann versuchte sie ein paar Schritte zu gehen. Sie wankte, torkelte und knickte schließlich kraftlos ein. Ehe ich bei ihr war, war sie eingeschlafen.
    Ich bettete sie auf das Besuchersofa, versuchte ihr Schnarchen zu überhören und stand dann lange am Fenster und beobachtete das erlahmende Treiben in den Straßen. Es war kurz vor Mitternacht, und ich war zufrieden mit der Auftragslage, auch wenn ich bisher nicht viel

Weitere Kostenlose Bücher