Fangschuss
des Wagens finden, dazu kam all die illegale Ware, die Winkler in seiner Tasche aus der Wohnung hatte schaffen wollen, nachdem er diesen anonymen Anruf erhalten hatte. Er war sich bewusst, dass es einige ehemalige Kollegen gab, die sein Treiben missbilligten und nur auf eine Gelegenheit warteten, ihm ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Was ihn allenfalls hätte misstrauisch machen können, war, dass er vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde. Doch er hatte weder meine durch ein Taschentuch rudimentär verfremdete Stimme erkannt noch meine Aussage bezweifelt. Ich vermutete, dass ihm die frische Alpenluft etwas zugesetzt hatte.
Ich lümmelte auf dem Bett herum und hörte entzückt dem Knacken der Eiswürfel zu, während der Whisky ölig im Glas schwappte. Von draußen drang Kinderlachen, eine Frau beschimpfte jemanden auf Brasilianisch, und der aseptische Saubermann Justin Timberlake stellte zu abgehackten Rhythmen die gewagte Behauptung auf, er bringe sexy zurück. Gegenüber auf der Dachterrasse grillten junge und jung gebliebene Leute in stylischen Klamotten Würstchen und tranken Prosecco aus Plastikkelchen dazu. Die Frau schrie jetzt zetermordio, eine Autotür wurde zugeknallt, jemand zerbrach eine Glasflasche. Ein entspannter Sonntagabend im Quartier. Ich lehnte mich zurück, nahm einen tüchtigen Schluck Amrut und schaltete mit der freien Hand den Fernseher ein. Ich hatte Miranda versprochen, mit ihr etwas trinken zu gehen, schließlich stand ich tief in ihrer Schuld für die geleisteten Beschattungsdienste. Vielleicht würden wir später noch ein bisschen in der Zukunft abtanzen. Und morgen wollte ich erst den Käfer vom gröbsten Schmutz befreien, bevor ich ihn in die Reparatur brachte, und anschließend Zamira und ihre Familie besuchen, um ihnen mein Beileid auszusprechen und sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass Murats Mörder gefasst worden war. Das war eine Verantwortung, um die ich mich nicht drücken konnte. Und auch nicht wollte. Der nötige Hinweis, dass Winkler Murats Mörder war, würde morgen in diesem Gratisblatt stehen, ebenso die Vermutung, dass sich etliche Leichen vergraben auf dem Gelände der Casa Canis befanden. Der Rest war dann Sache der Polizei. Auch ein Mittagessen bei meiner Mutter stand noch an, und José wollte endlich seinen Saufabend in der Centralbar einlösen. Zudem wollte ich Manju demnächst ausführen, stilvoll und mit allem Drum und Dran, wie sich ein Mädchen das so wünscht.
Ich hatte viel vor, doch im Moment wollte ich mir nur in aller Ruhe die nostalgische Musiksendung ansehen, die gerade auf dem Schweizer Kanal lief, und mich dazu volllaufen lassen.
Der Schlagersänger mit den abstehenden Ohren, ohne den eine Musiksendung im Schweizer Fernsehen offenbar nicht auskam, wurde interviewt. Zappelig berichtete er von den sensationellen Plänen für eine neue CD, auf der ausschließlich Coverversionen zu hören sein würden. Er sprach von ungewöhnlichem, ja provokantem Songmaterial. Ich dachte an unser kurzes Gespräch im Delirium und grinste. Sollte er sich darauf an einem Stück von Guns N’ Roses vergangen haben, hätte ich mir das selbst zuzuschreiben. Der aalglatte Moderator schwafelte mit der ihm eigenen künstlichen Aufgeregtheit weiter und langweilte mich schon bald, doch als ich gerade dabei war einzunicken, brandete lautstarker Applaus auf. Ich riss den Kopf hoch und die Augen auf, und da stand sie: Von weichem Scheinwerferlicht und Trockeneisschwaden umschmeichelt, in einem atemberaubenden, kaftanähnlichen Kleid sang sie ihren großen Hit in einer modernisierten Fassung. Das Publikum sang lautstark mit und klatschte dazu im Takt in die Hände, während Babsi etwas ungelenk zu den Technoklängen, die jetzt ihr Lied untermalten, mit ihrem beeindruckenden Becken wackelte. Unwillkürlich summte ich mit, während die Kamera Eindrücke von den frenetischen Zuschauern einfing. Eine Oma krähte euphorisch mit, ein biederes Ehepaar wiegte die Köpfe und zwinkerte sich dazu so begeistert an, als hätten sie sich so etwas Verwegenes gegenseitig nicht zugetraut, und vier junge Mädchen fotografierten sich gegenseitig mit ihren Handys, während sie ununterbrochen kicherten, als sei das das Lustigste, was sie je erlebt hatten. Ich stutzte. Der Song ging zu Ende, Babsi verbeugte sich mehrmals und tapste von der Bühne, obwohl der Applaus anhielt und erste »Zugabe«-Rufe erschallten. Das alles nahm ich nur noch wie aus weiter Ferne wahr. Meine Gedanken kreisten
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