Farben der Schuld
hier.«
Daher weht der Wind, deshalb will ihre Mutter so dringend ins Bad. Sie will sich auftakeln für ihren Schwärm. Bat legt die Rasierklinge auf den Waschbeckenrand und greift nach der Schere.
»Wollt ihr es in der Wanne treiben oder warum muss ich mich beeilen, bloß weil dein heiliger Hartmut dich besucht?«
»Beatrice. Bitte!«
»Bat!« Sie packt die lila Haarsträhne an ihrer rechten Schläfe und mustert sie. Das Lila taugt nicht für das, was sie vorhat, es ist viel zu soft. Schwarz ist viel besser. Schwarz und blutrot.
Durch die Badezimmertür dringt ein weiterer gequälter Seufzer. »Ich dachte, wir trinken alle zusammen Tee und reden ein bisschen. Ich habe Plätzchen gebacken …«
Krass, voll krass. Jetzt will ihre durchgeknallte Mutter mit diesem Priester auf heile Family machen. Bat schneidet die erste violette Haarsträhne ab, dann die nächste und nächste. Es geht ganz leicht. Schon bald hat sie eine Schneise bis zum Hinterkopf freigelegt.
»Bitte komm da raus!«
»Kein Bock!« Soll ihre Mutter sich doch im Gäste-Klo aufdonnern. Bat nimmt die Rasierklinge und zieht sie über ihre Schläfe. Immer mehr Haare rieseln ins Waschbecken und fast tut ihr das nun wieder leid. Aber für Gefühlsduseleien hat sie keine Zeit. Sie muss stark sein, sehr stark. Und was sind schon ein paar Haare? Die Amazonen haben sich die rechte Brust abgeschnitten, um mit der Armbrust besser zu schießen.
Es klingelt und wenig später hört sie, wie ihre Mutter und der Priester im Flüsterton miteinander sprechen. Bat greift wieder zur Schere, kümmert sich nun um die linke Kopfseite. Sie lässt sich alle Zeit der Welt mit ihrer Frisur und als sie endlich fertig ist, sieht ihr Gesicht viel weniger rund aus als vorher, viel älter und härter, auch ihre Piercings wirken nun doppelt cool. Bat befühlt ihre nackten Schläfen. Nur ein etwa fünfzehn Zentimeter breiter Streifen entlang des Scheitels ist von ihren langen Haaren noch übrig, und die hatte sie praktischerweise nicht lila gefärbt, sondern schwarz. Sie trägt farblich passenden Lippenstift auf, schminkt sich die Augen und lackiert ihre Nägel schwarz. Kämpfen, stark sein, das ist wichtig. Kämpfen für Jana! Sie darf jetzt nicht aufgeben, muss jeden Schritt ganz genau planen, jetzt, wo sie Lars gefunden hat, sie ist so dicht dran.
Zum Glück schafft sie es in ihr Zimmer, ohne dass ihre Mutter und der Priester sie bemerken. Sie dreht die Heizung voll auf und geht zum Terrarium. Penti kauert auf ihrem Lieblingsast und mustert Bat aus hornigen, kreisrunden Augen.
»Arme Penthesilea! Ich hab mich in letzter Zeit viel zu wenig um dich gekümmert.«
Bat hebt den Deckel vom Terrarium und setzt das Chamäleon auf ihren Unterarm. Sofort verändert es seine Farbe, changiert von Grün zu Grau und sein Schwanz schlingt sich um ihr Handgelenk. Ganz vorsichtig streicht Bat mit dem Zeigefinger über den warmen, rauen Rücken.
»Zeit für Futterchen und für deine Gymnastik, Pentilein.«
Sie trägt das Chamäleon zu dem etwa zwei Meter hohen Ficus Benjamini. Bedächtig klettert es von Bats Arm ins Geäst, bedächtig schiebt es sich immer höher, fast unmerklich passt sich seine Körperfarbe seiner Umgebung an, wird wieder grüner und die schönen Muster treten nun stärker hervor.
Bat schaltet die Wärmelampe an und holt die Box mit Pentis Futter. Verdammt! Sie hat nicht aufgepasst, die Heuschrecken sind tot. Nur ein mickriges Heimchen hat sie noch und ein paar Mehlwürmer. Sie offeriert Penti das Heimchen und versucht wie jedes Mal vorauszusehen, wann genau die lange Zunge vorschießt. Keine Chance, Penti ist viel zu schnell. Wie von Geisterhand gezogen verschwindet das strampelnde Insekt in ihrem Maul. Bat wartet, bis ihr Chamäleon fertig gekaut hat, bevor sie nach einem Mehlwurm greift.
»Beatrice, hallo, darf ich kurz reinkommen?«
Kacke, verdammte, warum hat sie nicht abgeschlossen? Bat starrt den Priester an. Er setzt ein schleimiges Lächeln auf und zieht die Tür hinter sich zu, dabei hat sie seine Frage überhaupt nicht bejaht. Sein Blick gleitet durch ihr Zimmer, über ihren Körper, über ihren Kopf, doch was auch immer er denkt, er verbirgt es geschickt.
»Deine Mutter macht sich Sorgen um dich.«
Warnholz hat eine tiefe, warme Stimme, er klingt unendlich verständnisvoll, doch davon wird sie sich nicht einwickeln lassen. Bat platziert einen sich windenden Wurm auf ihrem Zeigefinger und hält ihn Penthesilea hin.
»Oh, wen haben wir denn da?« Erst
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