Farben der Schuld
sondern in einem weißen Kittel im Himmel. Beinahe fröhlich sieht er aus. ›Jesus, ich vertraue auf dich‹ hat der Maler an den unteren Bildrand geschrieben. Nun denn, wer das braucht.
Manni streckt die Beine aus.
»Was machst du hier?«
»Ich wollte den Tatort anschauen. Ralf hat gesagt, du seist hier.«
Meuser, na klar.
»Ich hab mit Millstätt gesprochen. Ab Montag bin ich wieder dabei.«
Er starrt sie an.
»Vorläufig jedenfalls und halbe Tage.«
»Und das Verfahren?«
»Millstätt hat einen externen Ermittler angeheuert. Aus Düsseldorf.« »Shit.«
»Ich werde nicht sagen, dass dein Handy an dem Abend ausgeschaltet war.«
»Das Handy war mein Fehler. Dazu stehe ich.«
»Darauf wartet Kühn doch nur.« Sie schüttelt den Kopf, hat wieder diesen sturen Gesichtsausdruck, den er nur allzu gut kennt. Sie hat etwas vor und wird das durchziehen. Und mit etwas Glück wird sie das auch schaffen. Sie wird auch aus dieser Krise auferstehen.
»Mörder«, sagt sie in seine Gedanken. »Das muss nicht heißen, dass das Opfer ein Mörder war.«
»Das weiß ich auch.«
Eine Tür schlägt zu, ein kalter Luftzug weht über sie hinweg. Wieder zuckt Judith Krieger zusammen und ihre scheinbare Stärke verfliegt. Manni springt auf und scannt den Innenraum der Kirche ein weiteres Mal. Nichts, niemand zu sehen außer den beiden Nonnen. Die Kerzen flackern, eine erlischt.
»Diese Kirche hat eine Bedeutung«, sagt Judith Krieger leise. »Irgendetwas ist hier, das spüre ich.«
»Jetzt gerade sind hier außer uns jedenfalls nur zwei Betschwestern.«
Die Krieger nickt unüberzeugt. Er setzt sich wieder neben sie.
»Im Zweiten Weltkrieg wollte die japanische Regierung wissen, welche der verschiedenen Karatestilrichtungen denn nun die tödlichste wäre, damit sie die Armee entsprechend ausbilden konnten. Weißt du, wie sie das herausgefunden haben?«
»Nein.«
»Sie luden die besten Karateka jeder Schule ein, die Effizienz ihrer Kampfkünste an chinesischen Kriegsgefangenen zu demonstrieren.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch, das war ernst. Und es kam heraus, dass Shotokan-Karate am tödlichsten ist. Und das ist noch heute der am weitesten verbreitete Karatestil.«
»Was willst du mir damit sagen?« Sie starrt auf den Jesus, als erwarte sie die Antwort nicht von Manni, sondern von ihm.
»Shotokan—
Karate ist deshalb nicht schlecht«, sagt Manni trotzdem. »Nicht einmal die
Karateka
von damals waren schlecht. Manchmal hat man ganz einfach keine Wahl.«
Die Krieger will widersprechen, doch sein Handy kommt ihr zuvor. Es geht weiter. Endlich. Meuser hat tatsächlich die drei Ritter vom Ärzteball identifiziert.
Manni gibt der Krieger einen aufmunternden Klaps auf die Schulter. Der Durchbruch steht an, das kann er förmlich riechen. Er sprintet los.
***
Sie ist weitergekommen, viel weiter. Als sie das Telefonbuch aufschlug, sprang ihr der Name förmlich ins Gesicht. ›L-Music‹ – es ist der Hammer. Das Studio liegt ganz nah beim Melatenfriedhof. Wie blöd von ihr, wie total blöd, dass sie nach ihrem ersten Versuch damals, Lars über die Adressen von Musikstudios zu finden, einfach aufgegeben hat. Ihre Hände waren ganz schwitzig, als sie die Telefonnummer wählte. Und dann die Bestätigung: Ja, tatsächlich, ein Lars Löwner ist der Chef von L-Music, säuselte eine Telefonistinnentussi. Meist sei er jedoch erst ab dem späten Nachmittag dort.
Cool, ganz cool. Bat schließt die Badezimmertür ab und fischt einen Einwegrasierer aus der Tüte. Ihre Mutter hat die gekauft und sich natürlich für rosa entschieden, diese superhässliche Schwachsinnsfarbe, von der alle glauben, Mädchen und Frauen finden sie toll.
»Beatrice? Bea? Bist du da drin?« Ihre Mutter klopft an die Badezimmertür und klingt schon wieder völlig hysterisch.
Bat schiebt die Ärmel ihres Sweatshirts hoch. Die Adern an ihren Handgelenken sind ganz feine, bläuliche Linien auf ihrer hellen Haut. Spielerisch lässt Bat die Rasierklinge darübergleiten. Es kitzelt ein bisschen. Mehr nicht.
»Beatrice! Was machst du da drin? Komm bitte raus!«
Kann man in dieser Scheißwohnung nicht einmal ungestört sein? Vielleicht sollte sie Fabis Angebot annehmen und bei ihm einziehen, solange er seine Wohnung noch hat. Bat schneidet der Badezimmertür eine Grimasse.
»Bat!«, brüllt sie. »Nenn mich Bat!«
»Bat.« Das klingt mehr wie ein Stoßseufzer als wie ein Wort. »Mach bitte die Tür auf und komm raus. Priester Warnholz ist jede Minute
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