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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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doch zuversichtlich, daß jedes Tier hier das Opfer zu würdigen weiß, das Genosse Napoleon bringt, indem er sich diese Extraarbeit aufbürdet.
    Glaubt nicht, Genossen, daß Führerschaft ein Vergnügen ist! Im Gegenteil, sie bedeutet eine tiefe und schwere Verantwortung.
    Keiner glaubt unverbrüchlicher als Genosse Napoleon daran, daß alle Tiere gleich sind. Er ließe euch nur allzugerne eure eigenen Entscheidungen treffen. Doch manchmal könntet ihr die falschen Entscheidungen treffen, Genossen, und wo kämen wir da hin? Angenommen, ihr hättet beschlossen, Schneeball und seinem Windmühlen-Gefasel zu folgen? Schneeball, der, wie wir heute wissen, nichts anderes war als ein Verbrecher?
    »In der Schlacht am Kuhstall hat er tapfer gekämpft«, sagte jemand.
    »Tapferkeit ist nicht genug«, sagte Schwatzwutz. »Loyalität und Gehorsam sind wichtiger. Und was die Schlacht am Kuhstall betrifft, so wird, meine ich, die Zeit kommen, wo wir feststellen werden, daß Schneeballs Rolle dabei mächtig übertrieben wurde. Disziplin, Genossen, eiserne Disziplin! Das ist für heute die Parole. Ein falscher Schritt, und unsere Feinde würden über uns herfallen. Genossen, ihr wollt doch bestimmt nicht Jones wiederhaben?«
    Abermals erwies sich dieses Argument als unschlagbar. Die Tiere wollten Jones sicherlich nicht wiederhaben; wenn das Abhalten von Debatten am Sonntagmorgen dazu angetan war, ihn zurückzubringen, dann mußten diese Debatten eben aufhören. Boxer, der inzwischen Zeit zum Überlegen ge habt hatte, verlieh dem allgemeinen Gefühl mit den Worten Ausdruck: »Wenn Genosse Napoleon es sagt, dann muß es
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    richtig sein.« Und von da an machte er sich die Maxime zu eigen: »Napoleon hat immer recht«, ergänzend zu seinem persönlichen Motto: »Ich will und werde noch härter arbeiten.«
    Mittlerweile war das Wetter umgeschlagen, und das
    Frühjahrspflügen hatte begonnen. Der Schuppen, in dem Schneeball seine Pläne für die Windmühle gezeichnet hatte, war zugesperrt worden, und man nahm an, daß die Pläne
    fortgewischt worden seien. Jeden Sonntagmorgen um zehn Uhr versammelten sich die Tiere in der großen Scheune, um die Weisungen für die kommende Woche entgegenzunehmen. Der Schädel Old Majors, der jetzt nur noch aus Knochen bestand, war aus dem Obstgarten ausgegraben und auf einem Strunk am Fuß des Fahnenmastes neben dem Gewehr postiert worden.
    Nach Hissen der Flagge waren die Tiere angehalten, in ehrerbietiger Weise an dem Schädel vorüberzuziehen, bevor sie die Scheune betraten. Sie saßen nun auch nicht mehr alle beieinander, so wie früher. Napoleon saß, nebst Schwatzwutz und einem anderen Schwein, namens Minimus, das ein
    bemerkenswertes Talent zum Verfassen von Liedern und Gedichten hatte, vorne auf der erhöhten Plattform, die neun Hunde bildeten einen Halbkreis um sie herum, und dahinter saßen die anderen Schweine. Die übrigen Tiere saßen ihnen im Hauptteil der Scheune gegenüber. Napoleon verlas die Weisungen für die kommende Woche in einem barschen
    Kasernenhofton, und nach einem einmaligen Absingen von
    ›Tiere Englands‹ zerstreuten sich alle Tiere.
    Am dritten Sonntag nach Schneeballs Vertreibung vernahmen die Tiere einigermaßen überrascht Napoleons Ankündigung, daß die Windmühle nun doch gebaut werden sollte. Er führte keinerlei Gründe für seinen Gesinnungswandel an, sondern warnte die Tiere bloß eindringlich, daß diese Sonderaufgabe sehr harte Arbeit bedeuten würde; es könnte sogar nötig werden, die Rationen zu kürzen. Die Pläne indes seien bis ins letzte Detail vorbereitet. Ein Schweine-Sonderkomitee habe die
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    vergangenen drei Wochen daran gearbeitet. Der Bau der Windmühle, nebst verschiedenen anderen Verbesserungen, werde mit zwei Jahren veranschlagt.
    Am selben Abend erklärte Schwatzwutz den anderen Tieren im Vertrauen, daß Napoleon in Wahrheit niemals gegen die Windmühle gewesen wäre. Im Gegenteil, er sei es, der sie von Anfang an befürwortet habe, und der Plan, den Schneeball auf den Fußboden der Brutanlage gezeichnet hätte, sei in Wahrheit aus Napoleons Papieren gestohlen worden. Die Windmühle sei tatsächlich Napoleons ureigene Schöpfung gewesen. Warum, fragte da jemand, habe er sich dann so heftig dagegen ausgesprochen? Hier schaute Schwatzwutz ganz verschmitzt drein. Das, sagte er, sei die Pfiffigkeit von Genosse Napoleon gewesen. Er habe sich der Windmühle sche inbar widersetzt, schlichtweg nur ein Manöver, um sich Schneeballs

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