Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
Vom Netzwerk:
stundenlang ein. Die Bücher von einem Stein offengehalten und ein Stück Kreide zwischen die Knöchel seiner Schweinshaxe geklemmt, so lief er rasch hin und her, zeichnete Linie um Linie hin und gab leise, aufgeregte Quiekser von sich. Allmählich wuchsen sich die Pläne zu einer komplizierten Ansammlung von Kurbeln und Zahnrädern aus, die mehr als die Hälfte des Fußbodens bedeckte und die die anderen Tiere absolut unverständlich, aber sehr beeindruckend fanden. Sie kamen alle mindestens einmal am Tag, um
    Schneeballs Zeichnungen zu besichtigen. Sogar die Hühner und Enten kamen und gaben sich alle Mühe, nicht auf die
    Kreidestriche zu treten. Nur Napoleon hielt sich abseits. Er hatte sich von Anfang an gegen die Windmühle ausgesprochen. Eines Tages jedoch tauchte er unvermutet auf, um die Pläne zu inspizieren. Schweren Schritts drehte er eine Runde im Schuppen, besah sich genau jedes Detail der Pläne und beschnüffelte sie ein- oder zweimal, blieb dann ein Weilchen stehen und betrachtete sie aus den Augenwinkeln; dann hob er plötzlich das Bein, schlug sein Wasser über den Plänen ab und ging ohne ein Wort zu verlieren hinaus.
    Die ganze Farm war über das Thema Windmühle tief
    gespalten. Schneeball bestritt nicht, daß ihr Bau Schwierigkeiten bereiten würde. Steine mußten gebrochen und zu Mauern hochgezogen werden, dann galt es die Segel anzufertigen, und anschließend brauchte man Dynamos und Kabel. (Wie diese beschafft werden sollten, sagte Schneeball nicht.) Doch er blieb
    -44-

    dabei, daß alles in einem Jahr zu schaffen sei. Und danach, erklärte er, werde man sich soviel Arbeit ersparen, daß die Tiere nur noch drei Tage in der Woche arbeiten müßten. Napoleon dagegen argumentierte, das dringendste Gebot der Stunde laute, die Futterproduktion zu steigern, und daß sie alle Hungers sterben würden, falls sie ihre Zeit mit der Windmühle verschwendeten. Die Tiere bildeten zwei Fraktionen unter den Wahlparolen: »Stimmt für Schneeball und die Drei-Tage-Woche« und »Stimmt für Napoleon und die volle Krippe«.
    Benjamin war das einzige Tier, das sich keiner Fraktion zugesellte. Er wollte weder glauben, daß das Futter mehr werden, noch daß die Windmühle Arbeit ersparen würde.
    Windmühle hin, Windmühle her, sagte er, das Leben würde immer so weitergehen wie bisher - nämlich schlecht.
    Neben den Disputen über die Windmühle gab es noch die Frage der Verteidigung der Farm. Man war sich völlig im klaren darüber, daß die Menschen, obwohl sie in der Schlacht am Kuhstall besiegt worden waren, einen neuerlichen und entschlosseneren Versuch zur Rückeroberung der Farm und Wiedereinsetzung von Mr. Jones unternehmen könnten. Dazu hatten sie um so mehr Grund, als sich die Kunde von ihrer Niederlage auf dem Land verbreitet hatte und die Tiere auf den Nachbarfarmen bockiger denn je machte. Wie üblich waren Schneeball und Napoleon uneins. Nach Napoleons Ansicht mußten sich die Tiere Schußwaffen besorgen und sich in deren Gebrauch üben. Nach Schneeballs Ansicht mußten sie
    zunehmend mehr Tauben aussenden und unter den Tieren der anderen Farmen die Rebellion schüren. Der eine argumentierte, wenn sie sich nicht verteidigen könnten, sei ihnen die Unterwerfung gewiß; der andere argumentierte, wenn es überall zu Rebellionen komme, bestünde für sie keine Notwendigkeit mehr, sich verteidigen zu müssen. Die Tiere lauschten erst Napoleon, dann Schneeball und konnten sich nicht entscheiden,
    -45-

    wer recht hatte; eigentlich fand immer der ihre Zustimmung, der gerade das Wort hatte.
    Schließlich kam der Tag, da Schneeballs Pläne fertiggestellt waren. Bei dem Treffen am darauffolgenden Sonntag sollte die Frage zur Abstimmung gelangen, ob mit der Arbeit an der Windmühle begonnen werden sollte oder nicht. Als die Tiere in der großen Scheune zusammengekommen waren, erhob sich Schneeball und legte, obwohl er dabei ab und zu vom Blöken der Schafe unterbrochen wurde, die Gründe dar, weswegen er den Bau der Windmühle befürworte. Dann erhob sich Napoleon zur Erwiderung. Er sagte ganz ruhig, die Windmühle sei Quatsch, und er rate es keinem, dafür zu stimmen, dann setzte er sich prompt wieder hin; er hatte kaum dreißig Sekunden gesprochen, und die Wirkung, die er hervorrief, schien ihm beinahe egal zu sein. Darauf sprang Schneeball auf, brüllte die Schafe nieder, die wieder zu blöken begonnen hatten, und brach in einen leidenschaftlichen Appell zugunsten der Windmühle aus. Bisher waren die

Weitere Kostenlose Bücher