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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Bedienung, und er speiste stets von dem Meißner-Porzellan-Service aus der Glasvitrine im Wohnzimmerschrank. Es wurde weiterhin verkündet, daß jedes Jahr an Napoleons Geburtstag die Flinte abgefeuert werden würde, ebenso wie an den beiden anderen Jahrestagen. Von Napoleon sprach man jetzt nie mehr einfach als ›Napoleon‹.
    Man sprach von ihm immer in formellem Stil als ›unser Führer, Genosse Napoleon‹, und die Schweine erfanden gern solche Titel für ihn wie ›Vater aller Tiere‹, ›Schrecken der Menschheit‹, ›Schirmherr der Schafhürden‹, ›Entleins Freund‹
    und dergleichen. In seinen Reden sprach Schwatzwutz mit tränenüberströmten Backen von Napoleons Weisheit, seiner Herzensgüte und der tiefempfundenen Liebe, die er für alle Tiere allerorten he ge, auch und ganz besonders für jene bedauernswerten Geschöpfe, die auf den anderen Farmen noch immer in Unwissenheit und Sklaverei lebten. Es war zur lieben Gewohnheit geworden, jede erfolgreiche Leistung und jeden Glückstreffer Napoleon als Verdienst anzurechnen. Man konnte oft ein Huhn zum anderen sagen hören: »Unter der Leitung unseres Führers, des Genossen Napoleon, habe ich in sechs Tagen fünf Eier gelegt«; oder zwei Kühe, die sich am Teich ein Schlückchen gönnten, riefen aus: »Wie ausgezeichnet mundet doch, dank der Führerschaft Genosse Napoleons, dieses Wasser!« Das allgemeine Empfinden auf der Farm kam sehr gut
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    in einem ›Genosse Napoleon‹ betitelten Gedicht zum Ausdruck, das Minimus verfaßt hatte und das wie folgt lautete: Vater der Waisenheit!
    Quelle der Seligkeit!
    Meister des Schweinetrogs! Ach, wie mein Herz
    In Brand, schau' ich in Dein
    [steht schon
    Äug', das so hehr und rein
    wie laut'rer Sonnenschein,
    Genoss' Napoleon!

    Was nur Dein Volk begehrt,
    Wird ihm von Dir beschert:
    Zweimal die Krippe voll, dazu noch Heu
    Jedes Tier, klein und groß,

    [als Lohn;
    Ruht sicher wie im Schoß,
    Wachst Du doch pausenlos,
    Genoss' Napoleon!

    Hätt' ich ein Ferkelkind,
    Es lernte ganz geschwind,
    Egal wie klein es wär', ob Tochter oder Sohn,
    Wie's Treue Dir bewies
    Und einzig Dich nur pries;
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    Sein erster Quiekser hieß:
    Genoss' Napoleon!

    Napoleon billigte dieses Gedicht und veranlaßte, daß es an die Wand der großen Scheune geschrieben wurde, den Sieben Geboten gegenüber. Ein Profilporträt Napoleons, von
    Schwatzwutz in weißer Farbe ausgeführt, krönte es.
    Inzwischen war Napoleon durch Whympers Vermittlung in komplizierte Verhandlungen mit Frederick und Pilkington eingetreten. Der Stapel Bauholz war noch immer nicht verkauft.
    Frederick war derjenige von den beiden, der mehr darauf erpicht war, mochte jedoch keinen anständigen Preis bezahlen.
    Gleichzeitig gab es erneute Gerüchte, daß Frederick und seine Leute planten, die Farm der Tiere anzugreifen und die Windmühle zu zerstören, deren Bau in ihm eine rasende Eifersucht erweckt hatte. Von Schneeball wußte man, daß er sich noch immer auf der Knickerfeld-Farm herumdrückte. Im Hochsommer wurden die Tiere durch die Neuigkeit alarmiert, daß sich drei Hühner gemeldet und gestanden hatten, daß sie, angestiftet von Schneeball, ein Komplott zur Ermordung Napoleons geschmiedet hatten. Sie wurden unverzüglich hingerichtet, und man traf neue Sicherheitsvorkehrungen für Napoleon. Vier Hunde bewachten nachts sein Bett, an jeder Ecke einer, und einem jungen Schwein namens Rotäuglein wurde die Aufgabe übertragen, ihm sein Essen vorzukosten, und zwar aus Angst vor Vergiftung. Etwa um dieselbe Zeit wurde bekanntgegeben, daß Napoleon vereinbart habe, den Stapel Bauholz an Mr. Pilkington zu verkaufen; er werde ebenfalls ein reguläres Abkommen über den Austausch bestimmter Produkte zwischen der Farm der Tiere und Fuchswald schließen. Die Beziehungen zwischen Napoleon und Pilkington waren jetzt, obwohl sie nur durch Whymper unterhalten wurden, beinahe freundschaftlich. Die Tiere mißtrauten Pilkington als einem Menschen, zogen ihn aber bei weitem Frederick vor, den sie
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    zugleich fürchteten und haßten. Als der Sommer ins Land schritt und die Windmühle ihrer Fertigstellung entgegensah, mehrten sich die Gerüchte über einen bevorstehenden, heimtückischen Überfall. Frederick, so hieß es, beabsichtige, zwanzig mit Gewehren ausgerüstete Männer gegen sie aufzubieten, und habe den Magistrat und die Polizei bereits bestochen, so daß, hielte er erst einmal die Besitzurkunden der Farm der Tiere in den Fingern, keine weiteren Fragen mehr

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