Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
Und sie war sich so sicher gewesen! Noch vor einem Moment war sie sich so glücklich vorgekommen.
»Na gut. Es gibt keinen Grund, damit hinter dem Berg zu halten.«
»Du bist mutig«, sagte Piscator. »Und eine außergewöhnliche Frau. Ich wünsche dir Glück.«
»Bis später«, sagte Jill und ging mit zusammengebissenen Zähnen den Weg zurück.
Trotzdem klopfte ihr, als sie die Treppe zum zweiten Stock des Gebäudes erklomm, in dem Firebrass residierte, das Herz bis zum Halse. Und das lag nicht etwa an mangelnder körperlicher Kondition – sondern an Ihrer Furcht.
Überraschenderweise erklärte Firebrass’ Sekretärin ihr, er sei in seine Suite gegangen. Jill scheute sich, nach dem Grund für diesen frühen Feierabend zu fragen. Möglicherweise stand Firebrass genau wie sie unter dem Eindruck, einmal ausspannen zu müssen.
Um die Tür, die zu seinem Apartment führte, zu erreichen, mußte Jill die halbe Eingangshalle durchqueren. Sie sah die Leibwache dort stehen, die Firebrass’ auf allen Wegen begleitete. Zwei fehlgeschlagene Attentate in den vergangenen sechs Monaten hatten dies nötig gemacht. Leider hatten die Killer selbst Hand an sich gelegt, bevor man ihnen irgendwelche Informationen entreißen konnte, und so wußte niemand mit Bestimmtheit, in wessen Auftrag sie gekommen waren. Firebrass verdächtigte den Herrscher eines flußabwärts liegenden Sklavenhalterstaates als Drahtzieher dieser Aktionen, denn der Mann machte kein Hehl daraus, daß er auf das metallhaltige Gebiet Parolandos und dessen Wundermaschinen scharf war. Offensichtlich hatte er geglaubt, nach der Ermordung Firebrass’ leichter in das Land eindringen zu können, aber dies war, wie gesagt, alles reine Spekulation.
Jill wandte sich an den Fähnrich, der die vier schwerbewaffneten Männer befehligte.
»Ich möchte mit dem Chefingenieur sprechen.«
Der Fähnrich, ein Mann namens Smithers, sagte: »Tut mir leid, aber ich habe Befehl, ihn unter keinen Umständen zu stören.«
»Und warum nicht?«
Smithers streifte sie mit einem seltsamen Blick. »Woher sollte ich das wissen?«
Ihre unbestimmte Angst wurde plötzlich zur Furcht.
»Ich nehme an, er hat eine Frau bei sich!«
»Nein. Nicht etwa, daß es Sie etwas anginge…« Er grinste plötzlich maliziös und sagte: »Er hat einen Besucher. Einen Neuankömmling namens Fritz Stern. Er ist erst seit einer Stunde da. Ein Deutscher und – nach dem, was ich gehört habe – irgendeine Zeppelin-Kapazität. Ich hörte zufällig, wie er dem Kapitän erzählte, er sei Kommandant bei der NDELAG gewesen, was immer das auch bedeuten mag. Aber er hat auf jeden Fall mehr Flugstunden aufzuweisen als Sie.«
Jill mußte sich zusammenreißen, um dem Mann nicht die Zähne einzuschlagen. Sie wußte, daß Smithers sie nicht ausstehen konnte und es ihm unsägliche Freude bereitete, sie zu verletzen.
»NDELAG«, sagte Jill und wünschte sich aufgrund des Zitterns ihrer Stimme selbst zur Hölle, »kann nur Neue Deutsche Luftschiffahrts-Aktien-Gesellschaft bedeuten.«
Ihre Stimme hörte sich plötzlich an, als käme sie aus weiter Ferne.
»Es gab eine Zeppelingesellschaft, die sich vor dem Ersten Weltkrieg DELAG nannte und Passagiere und Fracht transportierte. Aber von einer NDELAG habe ich nie gehört.«
»Vielleicht deswegen, weil sie erst nach Ihrem Tod gegründet wurde«, sagte Smithers grinsend, dem ihre Niedergeschlagenheit offensichtlich Freude machte. »Ich bekam mit, wie er sagte, er habe sein Examen 1984 an der Akademie von Friedrichshafen gemacht und seine Karriere als Kommandant eines Superzeppelins namens Viktoria beendet.«
Jill fühlte sich krank. Erst Thorn und jetzt Stern.
Es gab keinen Grund, noch länger hier zubleiben. Sie hob die Schultern und sagte mit fester Stimme: »Ich komme später noch einmal wieder.«
»Natürlich, Sir. Tut mir leid, Sir«, sagte Smithers zynisch und grinste.
Jill wandte sich ab und machte Anstalten, die Treppe hinabzugehen.
Plötzlich knallte eine Tür und jemand stieß einen Schrei aus. Sie wirbelte herum. Aus Firebrass Apartment kam ein Mann gerannt und warf die Tür hinter sich ins Schloß. Er blieb einige Sekunden lang unschlüssig stehen, schien zu erstarren und musterte die Wachen, die sofort die schweren Pistolen aus den Holstern rissen. Smithers hatte sein Schwert bereits zur Hälfte aus der Scheide gerissen.
Der Mann war so groß wie sie. Er sah ausnehmend gut aus, war breitschultrig und schmalhüftig und hatte ziemlich lange Beine. Sein
Weitere Kostenlose Bücher