Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
gegangen.
Jetzt schrieb man das Jahr 33, und obwohl die Arbeit an dem großen Luftschiff bereits begonnen hatte, würde mindestens noch ein weiteres vergehen, bevor man zum Polarflug starten konnte. Das war teilweise auf unvorhergesehene, aber unausweichlich eintretende Schwierigkeiten, andererseits aber auch auf Firebrass’ grandiose Einfälle zurückzuführen, die die Konstrukteure am laufenden Band zwangen, von den Originalplänen abzuweichen und ihr Konzept weiterzuentwickeln.
Zwar stand die Mannschaft schon fest – aber immer noch tappten die angehenden Offiziere im dunkeln. Was Jill anbetraf, so war es ihr gleich, wie die Offiziersliste ausfallen würde, solange es nicht um die beiden ersten Plätze ging. Einer der Posten würde an Thorn, der andere an sie gehen, das stand außer Frage. Was sie bewegte, war allerdings die Ungewißheit, an welcher Stelle sie stehen würde. Sie gab sich äußerlich gelassen. Nur in ihren nächtlichen Träumen zeigte sich, wie sehr sie unter dieser offenen Frage litt, da es Thorn egal zu sein schien, welche Position er bekam.
An einem Mittwoch im Januar war sie jedoch glücklich. Die Arbeit an der Parseval ging so gut voran, daß man bereits absehen konnte, daß sie vor dem Termin fertig werden würde. Sie holte ihr Angelzeug, um an den kleinen See zu gehen, der sich in der Nähe ihrer Hütte befand. Als sie den ersten Hügel erklomm, sah sie Piscator. Auch er trug eine Angel und einen Bastkorb mit sich.
Jill rief ihm etwas zu, aber als er stehenblieb, bemerkte sie, daß das übliche Lächeln, das immer auf seinen Lippen lag, wenn er sie begrüßte, diesmal fehlte.
»Du siehst aus, als würde dich irgend etwas schwer beschäftigen«, sagte Jill.
»Das stimmt; jedoch trifft das Problem nicht mich persönlich, sondern jemanden, den ich für meinen Freund halte.«
»Wenn du nicht willst, brauchst du mir natürlich nichts darüber zu erzählen«, sagte Jill.
»Ich glaube, das werde ich doch tun. Denn es betrifft dich.«
Sie blieb stehen. »Was willst du damit sagen?«
»Ich habe gerade von Firebrass erfahren, daß die psychologischen Bewertungstests keinesfalls abgeschlossen sind. Es wird noch einer durchgeführt, an dem jeder der Mannschaft teilnehmen soll.«
»Ist das ein Grund zur Besorgnis?«
Er nickte. »Der Test findet unter Hypnose statt. Man will damit herausfinden, ob man irgendwelche Faktoren geistiger Instabilität übersehen hat.«
»Ja, aber…«
Jill machte eine Pause.
»Ich fürchte, daß dieser Test jene… äh… Halluzinationen offen legen wird, die dich heimsuchten.«
Jill fühlte sich plötzlich schwach in den Knien. Die ganze Welt um sie herum schien sich in einem Nebel aufzulösen. Piscator ergriff ihren Arm und stützte sie.
»Es tut mir leid, aber ich hielt es für das beste, dich darauf vorzubereiten.«
Jill riß sich los und sagte: »Ich bin vollkommen in Ordnung.« Und dann: »Herrgott im Himmel! Ich habe seit acht Monaten keinerlei Schwierigkeiten dieser Art mehr gehabt! Seit du mich in meiner Hütte gefunden hast, habe ich keinen Traumgummi mehr angerührt. Es hat auch keine Nachwirkungen gegeben. Außerdem hatte ich diese Halluzinationen nur ein einziges Mal – an dem Abend in meiner Hütte. Du glaubst doch nicht, daß Firebrass mich aussortieren könnte? Er hat doch gar keinen ausreichenden Grund dazu!«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Piscator. »Vielleicht wird die Hypnose ja auch gar nichts von diesem Anfall verraten. Dennoch möchte ich dir raten – und dich gleichzeitig um Verzeihung dafür bitten, daß ich jetzt versuche, Einfluß auf dich auszuüben –, Firebrass aufzusuchen und ihm von deinen Schwierigkeiten zu berichten. Tu das, bevor die Tests anfangen.«
»Was würde mir das nützen?«
»Wenn er erfährt, daß du ihm etwas verhehlt hast, könnte er dich möglicherweise auf der Stelle aussortieren. Aber wenn du ihm gegenüber ehrlich bist und ihm von der Sache erzählst, bevor du offiziell etwas von dem geplanten Test erfährst, wird er vielleicht bereit sein, deine Version des Falles zu hören. Ich persönlich glaube zwar nicht, daß du irgendeine Art Gefahr für das Luftschiff darstellen könntest, aber auf meine Meinung kommt es nun einmal nicht an.«
»Ich werde nicht betteln gehen!«
»Das würde Firebrass auch nicht beeinflussen können – und wenn, dann höchstens negativ.«
Jill atmete tief ein und sah sich um, als erwarte sie, in der nächsten Umgebung einen Fluchtweg in eine andere Welt zu entdecken.
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