Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
Verfügung stünden, aber eventuell Übernachtungsmöglichkeiten in der Gegend, in der Jill und Thorn lebte, frei seien.
Mit einem verärgert wirkenden Gesichtsausdruck sagte Firebrass: »Nun, vielleicht läßt sich später in diesem Haus etwas für Sie finden. Ich werde erst einmal mit Ihnen gehen, Anna, und dafür sorgen, daß man Sie nicht in einem Stall unterbringt.«
Damit erreichte Jills Selbstwertgefühl einen Tiefpunkt. Wie konnte sie von ihm noch Objektivität erwarten, wenn er dermaßen offensichtlich diese Russin hofierte.
Zeitweise schwelgte sie in Phantasien. Was, wenn sie die Kleine entführte und an einem sicheren Ort bis zum Starttermin versteckte? Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Firebrass den Start verschieben würde, bloß um sie wiederzufinden. Und dann mußte er Jill Gulbirra zu seinem Ersten Offizier machen.
Wenn es möglich war, auf diese Weise die Obrenowa aus dem Verkehr zu ziehen – warum sollte ihr das gleiche nicht mit Firebrass gelingen? Dann konnte sie sogar Kapitän werden.
Die sich daraus ergebenden Aussichten waren verlockend, aber dennoch würde sie niemals in der Lage sein, irgend jemandem dergleichen anzutun, welche Gefühle sie auch gegen ihn hegte. Die Rechte anderer Menschen mit Füßen zu treten war gleichbedeutend mit einer Vergewaltigung ihrer selbst.
In der darauffolgenden Woche kam es mehrmals dazu, daß Jill wütend mit den Fäusten auf den Tisch einschlug oder weinte. Manchmal tat sie beides zugleich. Nach vierzehn Tagen gelangte sie zu der Ansicht, daß sie sich benahm wie ein unreifes Mädchen. Akzeptiere das Unausweichliche und erfreue dich an dem, was für dich übrigbleibt. War es denn so wichtig, die erste Geige spielen zu müssen?
Für sie ja. Für jeden anderen auf der Welt nicht.
Also schluckte sie jeglichen Verdruß und Widerwillen hinunter.
Piscator mußte wissen, wie es um sie stand, denn hin und wieder erwischte sie ihn dabei, wie er sie ansah, ihr zulächelte oder den Kopf zur Seite drehte, wenn sie seinen Blick erwiderte. Aber er wußte es, er wußte es!
Sechs Monate vergingen, und schließlich stellte Firebrass seine Versuche, Anna Obrenowa in seine Unterkunft zu locken, ein. Er machte ebenso wenig ein Geheimnis daraus, daß er sie begehrte, wie aus der Tatsache, daß er letztlich bei ihr doch nicht zum Zuge gekommen war.
»Man kann eben nicht immer gewinnen«, sagte er mit einem schmerzlichen Grinsen zu Jill. »Vielleicht will sie gar nichts mit Männern zu tun haben. Ich kenne mehr als ein Dutzend, die hinter ihr her waren wie der Teufel hinter einer armen Seele, und keinen davon hat sie erhört. Sie ist beinahe so kühl wie die Venus von Milo.«
»Ich bin sicher, daß sie keine Lesbierin ist«, sagte Jill.
»Man muß wohl selbst eine sein, um ein solches Urteil fällen zukönnen, wie? Ha, ha!«
»Du weißt doch verdammt noch mal sehr gut, daß ich widerstreitende Gefühle habe!« sagte Jill wütend und ließ ihn stehen.
»Unentschiedene wäre eher das richtige Wort!« schrie Firebrass ihr nach. Zu dieser Zeit lebte Jill mit Abel Park, einem hochgewachsenen, muskulösen, gutaussehenden und intelligenten Mann zusammen. Er war ein Flußkind, eines der vielen Millionen Kleinkinder, die nach ihrem fünften Lebensjahr auf der Erde gestorben waren. Abel erinnerte sich weder an das Land, in dem er das Licht der Welt erblickt hatte, noch der Sprache, in der er erzogen worden war. Obwohl er in einer Gegend zu sich gekommen war, in der die Mehrheit aus mittelalterlichen Hindus bestand, hatte ihn ein schottisches Paar zu sich genommen und aufgezogen, das aus den Lowlands des achtzehnten Jahrhunderts stammte. Trotz seiner bäuerlichen Herkunft war es Abels Stiefvater gelungen, in Edinburgh die Doktorwürde zu erlangen.
Nachdem seine Eltern umgebracht worden waren, hatte Abel seine Heimat verlassen und war flußabwärts gewandert, bis nach Parolando. Da er Jill auf den ersten Blick gefiel, hatte sie ihn gefragt, ob er keine Lust habe, in ihre Hütte zu ziehen. Der hünenhafte Mann hatte freudig zugestimmt. Sie hatten zusammen einige idyllische Monate verbracht, aber inzwischen war Jill zu dem Ergebnis gekommen, daß Abels Intelligenz seiner Ignoranz im Wege stand. Sie gab sich alle Mühe, ihn weiterzubilden, und lehrte ihn Philosophie, Dichtung und sogar ein wenig Mathematik. Obwohl er begierig darauf war, etwas zu lernen, beschuldigte er sie plötzlich, ihn gängeln zu wollen.
Schockiert hatte Jill dies abgestritten.
»Ich will dich
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