Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
nachdachte? Es gab keine Gesichter und keinen Plot. Sicher, ein Plot war schon da, aber man mußte ihn sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzen. Ah, es waren so viele Einzelteile.
Beinahe hätte sie es geschafft, aber dann flutschte es ihr wieder aus den Händen.
Aufstöhnend erwachte sie. Jill öffnete die Augen und lauschte dem auf das Dach trommelnden Regen.
Jetzt erinnerte sie sich auch an den ersten Teil ihres Traums. Sie hatte von einem Traum geträumt – oder ihn zumindest für einen gehalten. Es hatte geregnet, sie war halb aufgewacht, oder es schien zumindest so gewesen zu sein. Die Hütte hatte sich zwanzigtausend Kilometer von dieser entfernt befunden, aber sie waren beinahe identisch, und auch die Welt, die sich außerhalb von ihr befand, hatte sich von dieser hier nicht allzu sehr unterschieden. Sie hatte sich zur Seite gedreht, aber ihre Hand hatte nicht das Fleisch gefühlt, mit dem sie gerechnet hatte.
Sie hatte sich hingesetzt und sich umgesehen. Ein Blitz, der irgendwo in der Nähe über den Himmel zuckte, machte ihr klar, daß Jack sich nicht in der Hütte befand.
Sie war aufgestanden und hatte die Fischöllampe angezündet. Es war nicht nur er, der fehlte, sondern auch seine Kleider, Waffen und Ausrüstungsgegenstände.
Sie hatte ihn niemals wiedergefunden. Keiner wußte, wohin er gegangen war und warum.
Der einzige, der darüber vielleicht etwas aussagen hätte können, war in der gleichen Nacht verschwunden. Auch er hatte seine Gefährtin verlassen, ohne ein Wort zu sagen. Es war klar, daß die beiden zusammen fortgegangen waren. Obwohl, soweit Jill wußte, die beiden lediglich zufällig miteinander bekannt gewesen waren.
Warum hatte Jack sie so in aller Stille und so herzlos sitzen lassen?
Was hatte sie ihm angetan?
Lag es daran, daß er zu dem Entschluß gekommen war, daß es für ihn nicht das richtige sei, mit einer Frau zusammenzuleben, die sich nicht damit begnügte, in einer Partnerschaft die zweite Geige zu spielen? Oder hatte ihn einfach wieder die Wanderlust gepackt? Hatten diese beiden Motive genügt, ihn seine Sachen packen zu lassen und zu gehen?
Was immer auch die Wahrheit sein mochte: Seither lebte sie mit keinem Mann mehr zusammen. Jack war der Beste von allen gewesen, wie der Letzte immer der Beste ist, aber er war nicht der Allerbeste gewesen.
Sie hatte sich gerade von dem Schlag einigermaßen erholt, als sie Fatima, die kleine, schlehenäugige Türkin kennen gelernt hatte. Sie war, obwohl sie eine von den Hunderten der Haremsdamen von Mohammed IV. (er hatte die Türkei von 1648 bis 1687 beherrscht) gewesen war, niemals mit diesem Mann ins Bett gegangen. Sie hatte nicht einmal sonderlich unter der sexuellen Abstinenz gelitten. Es gab noch eine ganze Reihe anderer Mitgefangener im Seraglio, die ihre eigene Art des Sex bevorzugten, sei es aus natürlicher Neigung oder aufgrund von Konditionierung. Sie war zur Favoritin Kosems, Mohammeds Großmutter, avanciert, obwohl es in ihrer Beziehung nichts offensichtlich Homosexuelles gegeben hatte.
Aber Turhan, Mohammeds Mutter, hatte nichts unversucht gelassen, Kosem ihren Machteinfluß streitig zu machen, und so war sie schließlich von einer Gruppe durch Turhan gedungener Meuchelmörder mit einer Schnur ihres Bettvorhangs erdrosselt worden. Es war Fatimas Schicksal gewesen, just zu diesem Zeitpunkt im Schlafraum des Opfers anwesend zu sein; deswegen war auch sie nicht mit dem Leben davongekommen.
Nachdem sich Fatima mit ihrer vorherigen Gefährtin, einer französischen Balletttänzerin (gestorben 1873), zerstritten hatte, war die gutaussehende kleine Türkin in Jills Hütte gezogen. Jill liebte sie zwar nicht, aber sie war sexuell äußerst aufregend, so daß sie nach einer Weile richtiggehend in sie vernarrt war. Fatima allerdings entpuppte sich ziemlich schnell als ignorant und unbelehrbar. Sie war selbstsüchtig (ohne daß es eine Hoffnung auf Änderung gab), kindisch, und würde das auch bleiben. Nach einem Jahr wurde Jill ihrer überdrüssig, aber trotzdem hatte sie tiefe Trauer befallen, als Fatima von drei betrunkenen Sikeli (aus der Zeit von 1000 Jahren v. Chr.?) vergewaltigt und erschlagen worden war. Ihr Kummer wurde noch schlimmer bei dem Wissen (oder Glauben, immerhin gab es dafür keine Sicherheit), daß ihr Tod nicht mehr rückgängig zu machen war. Allem Anschein nach war die Zeit der Wiedererweckungen vorbei. Verstorbene Personen erwachten nicht länger am nächsten Tag in einer anderen Umgebung.
Bevor
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