Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
legte ihren Gral und das Bündel auf den Boden. David Schwartz kam ihr nach. »Sie gehörte früher einem Pärchen, das von einem Drachenfisch getötet wurde. Das Biest schoß plötzlich aus dem Wasser, als sei es von einer Kanone abgefeuert worden, und biß das hintere Ende ihres Fischerbootes ab. Die beiden hatten Pech, denn genau dort hielten sie sich zu diesem Zeitpunkt auf. Und es war doppeltes Pech für sie, daß es geschah, nachdem die Wiedererweckungen angeblich aufhörten. Es ist also kaum damit zu rechnen, daß sie anderswo wieder zum Leben erwacht sind. Oder haben Sie zufällig in letzter Zeit irgendwelche Leute getroffen, die kurz davor verstorben sind?«
»Nein«, sagte Jill. »Zumindest niemanden, dem ich hätte glauben können.«
»Was glauben Sie, woran es liegt, daß das nach all den vielen Jahren aufgehört haben soll?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie scharf. Das Thema führte stets dazu, daß sie sich unbehaglich fühlte. Warum hatte man ihnen das Geschenk der Unsterblichkeit so plötzlich wieder genommen?
»Ach, zum Teufel damit«, sagte sie laut und sah sich um. Der Boden lag unter einem Grasteppich, der so hoch war, daß er ihr beinahe bis an den Schritt reichte. Die Halme kitzelten ihre Beine. Sie würde es völlig abschneiden und mit Erde bedecken müssen, aber selbst dann würde das Gras nicht absterben. Die Wurzeln reichten so tief und waren derartig miteinander verwoben, daß es sogar ohne Wasser und Sonnenschein existieren konnte. Man konnte nicht einmal ausschließen, daß die Halme, die in Finsternis lebten, von jenen miternährt wurden, die dem Licht ausgesetzt waren. Die Pflanzen dieser Welt gaben noch viele Rätsel auf.
Eine stählerne Sichel hing an einem Wandhaken. Es gab in dieser Gegend so viel Metall, daß offenbar niemand auf die Idee kam, das Werkzeug zu stehlen.
Jill drehte sich herum, damit die scharfen Ränder der Grashalme ihr nicht ins Fleisch schnitten. Sie fand zwei tönerne Töpfe im Gras. Auf einem Bambustisch, den das wachsende Grün noch nicht umzuwerfen geschafft hatte, stand ein Trinkwasserfaß. An einem weiteren Haken baumelte eine Halskette aus Fischgräten. Zwei Bambusliegen mit Matratzen waren fast von dem wildwuchernden Grün verschlungen. Ganz in ihrer Nähe fand sie eine Leiter, die aus einem Schildkrötenfischgehäuse und Gräten gefertigt war.
»Viel ist es ja nicht«, sagte sie. »Aber was soll man auch erwarten, nicht wahr?«
»Es sollte reichen«, erwiderte Schwartz. »Immerhin haben Sie genug Platz für sich und einen Gefährten – wenn Sie einen wollen.«
Jill nahm die Sichel vom Haken und probierte sie aus. Die Grashalme fielen wie Köpfe in einer Schlacht. »Hah!«
Schwarz sah sie an, als befürchte er, sie werde die Sichel gleich auch an ihm ausprobieren.
»Wieso glauben Sie, daß ich einen Geliebten brauche?«
»Nun – nun – nun… jeder, ich meine… alle wollen doch…«
»Alle wollen das nicht«, erwiderte Jill. Sie hängte die Sichel an den Haken zurück. »Was kommt als nächstes auf dieser Forschungsreise?«
Sie hatte an sich erwartet, daß Schwartz sie – wenn sie erst einmal allein in der Hütte waren – bitten würde, mit ihm zu schlafen. Es gab viele Männer, die das taten. Und es war ganz offensichtlich, daß auch er das tun wollte – nur fehlte ihm der Mumm dazu. Jill fühlte gleichzeitig Erleichterung und Verachtung für diesen Mann. Dann sagte sie sich, daß dies widersprüchlich sei. Warum sollte sie auf ihn heruntersehen, nur weil er sich so benahm, wie sie es von ihm erwartete?
Vielleicht lag es auch daran, daß sie irgendwie enttäuscht war. Wenn ein Mann ihr gegenüber – und ungeachtet ihrer Warnungen – zu aggressiv wurde, pflegte sie ihm in der Regel einen Handkantenschlag in den Nacken zu versetzen, ihm einen Fußtritt in die Hoden zu geben und ihn, während er nach Luft ringend auf dem Boden lag, in den Magen zu treten. Egal, wie groß und wie stark ein Mann auch war – diesen Überraschungsangriff überstand keiner. Solange der Schmerz in ihren Hoden brannte, waren sie hilflos. Und nachher… nun, die meisten hatten sie irgendwann verlassen. Manche hatten versucht, sie umzubringen, aber darauf war sie stets vorbereitet gewesen. Keiner von ihnen hatte geahnt, wie gut sie mit dem Messer umgehen konnte – und auch mit jeder anderen Waffe.
David Schwartz ahnte nicht einmal, wie nahe er der Verkrüppelung und einem permanenten Verlust seines Selbstbewußtseins entgangen war.
»Sie brauchen
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