Farmer, Philip José - Flusswelt 04
damals mit unseren Maßsystemen noch nicht sonderlich gut vertraut war, kann es auch weniger sein. Wollen wir’s hoffen.«
»Wenn ef dich fu fehr ermüdet, komm furück«, sagte Joe. »Ich will nicht, daf du abftürft.«
»Dann geh ein bißchen zurück, damit ich dir nicht auf den Kopf falle«, sagte Nur lächelnd. »Es würde mein Gewissen belasten, wenn ich auf dich stürzte und wir beide sterben müßten. Ich glaube aber, es würde dir nicht weher tun, als wenn dir ein Adler auf den Kopf kackt.«
»Ef würde mir fehr weh tun«, sagte Joe. »Adler und Adlerkacke find für mein Volk nämlich tabu.«
»Dann nimm an, ich sei ein Sperling.«
Nur begab sich in den Kamin und drückte seinen Rücken gegen die eine und die Füße gegen die andere Wand. Er krümmte sich, drückte ein Bein gegen den Fels und machte mit dem anderen einen zaghaften Schritt. Sobald das eine Bein einen sicheren Halt gefunden hatte, rutschte er mit dem Rücken höher, zog das andere nach und wiederholte die gleiche Prozedur noch einmal. Langsam, aber stetig glitt er höher.
Bald darauf verschwand er im Nebel. Anhand des immer kürzer werdenden Seils, das er hinter sich herzog, konnten die anderen seine Fortschritte begutachten. Es ging ziemlich langsam vor sich.
»Er muß eine ungeheure Ausdauer haben, wenn er es schaffen will«, sagte Alice. »Und wenn er – einmal oben angekommen – nichts findet, woran er das Seil befestigen kann, um die anderen hinaufzuziehen, kann er wieder herunterkommen.«
»Hoffen wir, daß es nicht allzu hoch ist«, sagte Aphra Behn.
»Oder daß der Kamin nicht breiter wird«, sagte Ah Qaaq.
Als Burtons Armbanduhr anzeigte, daß Nur seit achtundzwanzig Minuten unterwegs war, hörten sie ihn rufen: »Welch ein Glück! Hier ist ein Vorsprung, auf dem ohne Schwierigkeiten zwei Mann stehen können, wenn einer davon nicht zufällig Joe Miller heißt! Und hier ist eine Felsnase, an der ich das Seil befestigen kann!«
Burton sah den Titanthropen an.
»Offenbar ist der Fels nicht überall so glatt.«
»Yeah. Nun, vielleicht find wir damalf doch auf der rechten Feite hochgekommen, Dick. Da ift ef überall glatt. Fumindeft da, wo ich hergegangen bin. Da war ef so glatt wie ein Fäuglingfhintern.«
Die Ethiker hatten sich also gar nicht erst damit abgegeben, das Kliff überall unüberwindbar zu machen. Sie hatten den unteren Teil der Felswand geglättet und jenen Bereich, der sowieso vom Nebel verborgen wurde, in seinem Urzustand belassen.
Hatte X an dieser Entscheidung mitgewirkt?
Hatte er auch für diesen Kamin gesorgt? Gab es auf der anderen Seite des Flusses etwa auch einen Weg, die Wand auf diese Weise zu überwinden?
Es war sehr gut möglich.
Wenn X hinter dieser Möglichkeit steckte, dann hatte er die Kamine bereits vor dem Entstehen der gesamten Felslandschaft geplant. Die Umgebung war keinesfalls natürlichen Ursprungs. Die Ethiker hatten dieses Gebirge mit Hilfe irgendwelcher unvorstellbaren Maschinen geschaffen.
Nur rief ihnen zu, sie sollten nun ein dickeres Seil an dem befestigen, das er mitgenommen hatte. Kurz darauf gab er bekannt, daß das zweite Seil nun sicher sei.
Burton drückte die Beine gegen die Kaminwand, krümmte sich und zog sich hinauf. Keuchend und mit schmerzenden Armen erreichte er den Vorsprung. Nur, der für einen Mann seiner bescheidenen Größe und Magerkeit überraschend stark war, half ihm auf die Beine.
Dann zogen sie das Gepäck hinauf.
Nur blickte durch den Nebel nach oben.
»Die Felswand wird hier ziemlich rau«, sagte er. »Es sieht ganz so aus, als könnte man jetzt mit eingeschlagenen Eisen weiterkommen.«
Er entnahm dem Gepäck einen Hammer und mehrere stählerne Haken, um sie in den Fels zu schlagen. Sie waren mit Ösen versehen, durch die man ein Seil ziehen könnt.
Der Maure tauchte im Nebel unter. Hin und wieder konnte Burton ihn hämmern hören. Etwas später rief Nur ihm zu, er könne jetzt hochkommen. Er hatte einen weiteren Felsvorsprung gefunden.
»Die Unregelmäßigkeiten in der Wand sind hier so groß, daß man schon mit den Händen weiterklettern könnte. Aber das werden wir nicht tun.«
Inzwischen hatte auch Alice mit Hilfe des Seils den ersten Vorsprung erreicht. Burton gab ihr einen Kuß und folgte dem Mauren.
Zehn Stunden später hatte die ganze Gruppe die Felswand hinter sich gebracht. Nachdem man wieder ein wenig zu Atem gekommen war, hielt man nach einem windgeschützten Platz Ausschau. Erst fünf Kilometer weiter, am Fuße einer weiteren
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