Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Farmer, Philip José - Flusswelt 04

Farmer, Philip José - Flusswelt 04

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das magische Labyrinth
Vom Netzwerk:
Möglicherweise träumte er auch – wie jeder andere Mensch – von jener Gefährtin, die der Herr der Träume erschaffen hat: einer Idealgestalt, die nur im Unterbewußtsein existiert.
    »Jeder Mensch ist ein Mond, der seine dunkle Seite niemandem zeigt.«
    Das hatte Sam Clemens geschrieben. Wie wahr. Aber der Herr der Träume, jener Zeremonienmeister bizarrer Zirkusse, ließ seine eingesperrten Bestien, Trapezkünstler, Seiltänzer und Nebenbühnen-Abnormitäten jede Nacht in die Arena.
    Der Traum der vergangenen Nacht hatte ihn, Samuel Langhorne Clemens in einen Raum eingeschlossen, in dem sich eine gewaltige Maschine befand. Auf deren Rücken hatte sein Alter ego, Mark Twain gesessen. Die Maschine war ein monströses, bizarres Ding. Sie war bullig, abgerundet und wirkte wie eine Küchenschabe mit tausend Beinen und ebenso vielen Zähnen.
    Die Zähne in dem rechteckigen Mund bestanden aus den Flaschen einer patentierten Medizin: >Schlangenöl<. Die Beine waren metallene Pfosten, die unten mit runden Füßen versehen waren; darauf standen die Buchstaben des Alphabets. Sie kam auf ihn zu und klapperte mit den Zähnen, während die Beine, die offenbar nicht genug geölt worden waren, quietschten und knarrten. Mark Twain, der auf einem goldverzierten und diamantenbesetzten Sattel saß, lenkte die Maschine mit Hilfe der Zügel genau auf ihn zu. Er war ein alter Mann mit buschigem, weißem Haar und einem ebensolchen Schnauzbart. Er trug einen weißen Anzug. Er grinste Sam an, dann warf er ihm einen finsteren Blick zu, riß an den Zügeln, steuerte die Maschine mal hierhin und mal dorthin und versuchte so, Sam einen möglichen Fluchtweg zu verbauen.
    Sam war erst achtzehn und sein berühmter Schnauzbart noch nicht gewachsen. Er hielt den Griff einer Reisetasche in der Hand.
    Er jagte in dem Raum hin und her, während die Maschine quietschend und knarrend seiner Spur folgte und schließlich aufholte. Mark Twain rief ständig irgendwas hinter ihm her, wie zum Beispiel: »Hier ist ‘ne Seite aus deinem Buch, Sam«, und »Dein Verleger sendet dir seine besten Empfehlungen, Sam, und fragt nach mehr Geld!«
    Sam, der mittlerweile ebenso quietschte wie die Maschine, kam sich vor wie eine von einer mechanischen Katze verfolgte Maus. Egal wie schnell er auch rannte, Haken schlug und beiseite sprang – es war unausweichlich, – daß sie ihn zu fassen kriegte.
    Plötzlich wellte sich die metallene Außenhaut des Ungeheuers. Es stöhnte und hielt an. Seinem Maul entrang sich ein Klicken, dann verharrte es und streckte die Beine aus. Kurz darauf entströmte seinem Hinterteil ein Fluß grünen Papiers. Es waren Tausend-Dollar-Noten, die sich an der Wand aufstapelten und die Maschine bald zu verdecken drohten. Der Stapel wuchs und wuchs und fiel schließlich in sich zusammen, während Mark Twain die Maschine anschrie und sie als Produkt eines Irrsinnigen bezeichnete.
    Fasziniert kroch Sam näher an den Stapel Geld heran. Er behielt dabei jedoch stets die Maschine im Auge. Dann hob er eine der Banknoten auf und sagte: »Endlich hat es hingehauen.«
    Das Papier in seiner Hand verwandelte sich in menschlichen Auswurf. Und dann sah er, daß sich auch alle anderen Geldscheine in pure Kacke verwandelt hatten.
    Aber in der bisher fugenlosen Zimmerwand hatte sich zumindest eine Tür geöffnet.
    H. H. Rogers steckte den Kopf herein. Er war der reiche Sack, der Sam trotz dessen vernichtender Kritik an den großen Ölgesellschaften die Stange gehalten hatte. Sam raste auf ihn zu und schrie »Hilfe! Hilfe!«
    Rogers trat ein. Er trug nichts außer einer langen roten Hose mit aufgeknöpfter Hinterteilklappe. Auf seinem nackten Brustkasten stand in großen Lettern das Motto: WIR VERTRAUEN AUF STANDARD OIL; ALLE ANDEREN AUF GOTT.
    »Du hast mich gerettet, Henry!« keuchte Sam.
    Rogers wandte ihm kurz sein Hinterteil zu. Darauf stand: WERFEN SIE EINEN DOLLAR EIN UND ZIEHEN SIE AN DEM HEBEL.
    Mit einem finsteren Blick sagte Rogers: »Einen Moment.« Er langte hinter sich und brachte ein Dokument zum Vorschein.
    »Unterschreib das, dann lasse ich dich raus.«
    »Aber ich habe keinen Federhalter!« sagte Sam. Hinter ihm setzte sich die Maschine wieder in Bewegung. Obwohl Sam es nicht sehen konnte, wußte er, daß sie auf ihn zukroch. Wenn er an Rogers vorbei durch die Tür blickte, konnte er einen herrlichen Garten sehen. Ein Löwe und ein Lamm saßen dort nebeneinander, und Livy stand direkt hinter ihnen. Sie lächelte ihm zu. Sie hatte nichts an,

Weitere Kostenlose Bücher