Fast geschenkt
mich an - mit genau dem ausdruckslosen, unheimlichen Blick, der seinerzeit auf Pressekonferenzen immer wieder bewirkte, dass ich am liebsten weggelaufen wäre.
»Steht nicht zur Debatte.«
»Aber du hast doch ein wahnsinnig gut laufendes Geschäft in London«, bohre ich weiter. »Ich meine, du musst keine Zweigstelle in New York eröffnen, oder? Du könntest einfach...«
Ich verstumme, als ich seinen Gesichtsausdruck sehe.
»Gut«, sage ich nervös. »Ja, dann - ich bin sicher, dass alles gut wird. Letztendlich.«
Wir schweigen einen Moment - dann kommt Luke wieder zu sich und sieht auf.
»Ich muss heute leider bei ein paar Leuten Händchen halten«, sagt er unvermittelt. »Das heißt, ich schaffe es nicht, mit dir und meiner Mutter Mittagessen zu gehen.«
Ach, du heiliger Strohsack. Lukes Mutter. Die hatte ich ja ganz vergessen.
»Kann das nicht verschoben werden?«, frage ich.
»Leider nicht«, erwidert Luke, und ich kann ein kleines bisschen Enttäuschung in seinem Blick sehen. »Meine Mutter hat unglaublich viele Termine. Und sie hat natürlich Recht: Ich habe mich ziemlich kurzfristig bei ihr gemeldet.«
»Das heißt... Ich soll allein mit deiner Mutter essen gehen?« Diese Aussicht gefällt mir nicht besonders, aber das versuche ich mir natürlich nicht anmerken zu lassen. Luke schüttelt den Kopf.
»Ich habe gerade mit ihr gesprochen. Sie muss heute in den Spa zur Wellness-Behandlung, und sie hat vorgeschlagen, dass du mitkommst.«
»Ah ja«, sage ich zögernd. »Na, das könnte ja ganz lustig werden...«
»Und danach nimmt sie dich zu irgendeinem Wohltätigkeitslunch mit. Bei der Gelegenheit könnt ihr beiden euch besser kennen lernen.«
»Super!«, behaupte ich ziemlich überzeugend. »Das wird sicher nett.« Ich stehe auf und lege die Arme um Lukes Hals. »Und jetzt mach dir mal keine Sorgen. Wirst schon sehen, die Leute werden Schlange stehen, um deinen Deal finanzieren zu dürfen.«
Luke ringt sich ein halbherziges Lächeln ab und küsst meine Hand.
»Na, hoffentlich.«
Als ich in der Lobby sitze und auf Lukes Mutter warte, bin ich gleichzeitig nervös und fasziniert. Ehrlich gesagt, finde ich Lukes Familienstruktur etwas schräg. Er hat einen Vater und eine Stiefmutter in England, die ihn zusammen mit seinen zwei Halbschwestern großgezogen haben, und die er Mum und Dad nennt. Und dann hat er seine echte Mutter, die seinen Vater verlassen hat, als Luke noch klein war, und die einen reichen Amerikaner geheiratet und Luke bei seinem Vater gelassen hat. Dann hat sie den reichen Amerikaner verlassen und einen anderen, noch reicheren Amerikaner geheiratet, und dann... war da noch einer?
Wie dem auch sei, Luke hat seine richtige Mutter in seiner Jugend anscheinend kaum gesehen - sie hat ihm immer bloß riesige Geschenke ins Internat geschickt und ihn etwa dreimal im Jahr besucht. Man könnte meinen, dass er ihr das irgendwie übel nimmt. Tut er aber nicht. Im Gegenteil: Er vergöttert seine Mutter. Kein schlechtes Wort über sie kommt über seine Lippen. In seinem Arbeitszimmer zu Hause hat er ein riesiges Bild von ihr hängen - viel größer als das Hochzeitsbild von seinem Vater und seiner Stiefmutter. Ich frage mich manchmal, wie die das wohl finden. Aber ich traue mich nicht, das Thema anzusprechen.
»Rebecca?«, reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Erschreckt sehe ich auf: Eine hoch gewachsene, elegante Frau in einem blassen Kostüm mit sehr langen Beinen und Krokodillederschuhen sieht auf mich herunter. Die Frau von dem glamourösen Riesenfoto in Fleisch und Blut! Sie sieht wirklich genauso aus wie auf dem Bild: Die hohen Wangenknochen, das dunkle, a la Jackie Kennedy frisierte Haar - nur ihre Haut wirkt irgendwie straffer und ihre Augen sind unnatürlich geweitet. Sieht fast so aus, als könnte sie Probleme haben, sie zu schließen.
»Guten Tag!«, begrüße ich sie, stehe etwas ungelenk auf und strecke ihr die Hand entgegen. »Sie sind bestimmt -«
»Elinor Sherman«, sagt sie in einer seltsamen Mischung aus britischem und amerikanischem Englisch. Ihre Hand ist kalt und knochig, und zwei überdimensionale Diamantringe bohren sich in meine Haut. »Sehr erfreut.«
»Luke tut es furchtbar Leid, dass er die Verabredung nicht einhalten konnte«, richte ich aus und überreiche ihr das Geschenk von ihm. Sie packt es aus, und ich mache natürlich Stielaugen. Ein Hermes-Tuch!
»Schön«, sagt sie bloß und stopft es zurück in die Schachtel. »Mein Wagen wartet. Können
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