Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
Lady Rivertons Klauen entrinnen. Und das wird nicht so bald geschehen. Wollen wir diese gefüllten Pilze kosten?“ Sie leerte ihr Weinglas und stelle es neben seines auf das Podest der Statue. „Über all der Aufregung bin ich hungrig geworden.“
Obwohl er immer noch erbost wirkte, ließ er sich zum Buffet führen. Eisern hielt sie seinen Arm fest und plauderte über die Vorzüge der Hummersuppe. Thalia gesellte sich zu ihnen und lenkte Marco erfolgreich von Avertons Anwesenheit ab.
Verstohlen spähte Clio zu Edward hinüber, den die Gastgeberin in der ersten Reihe der vergoldeten Stühle vor der Bühne platzierte.
Während er mit Lady Riverton plauderte, erwiderte er Clios Blick mit seinen durchdringenden grüngoldenen Augen. Und plötzlich gewann sie den Eindruck, sie wären allein in dem überfüllten Raum. So wie in der Galerie seines Londoner Acropolis House, wo er sie immer näher zu sich herangezogen und ihr den Atem geraubt hatte …
Sie verschluckte sich an einem Bissen ihres gefüllten Champignons, rang nach Luft, und Thalia klopfte ihr auf den Rücken.
„Nehmen Sie einen Schluck Wein, Miss Chase!“, schlug Marco besorgt vor und drückte Clio ein gefülltes Glas Marsala in die Hand.
„Danke, es – es geht mir gut …“, stammelte sie. Wenn sie noch mehr Wein trank, würde man sie nach Hause tragen müssen. Wenigstens war das nicht Paolos Grappa, der würde sie vollends um den Verstand bringen. „Ich war nur zu gierig auf die Pilze.“
„Für die haben wir keine Zeit mehr“, entschied Thalia. „Gleich beginnen die Theateraufführungen. Fühlst du dich wirklich wohl?“
„O ja.“ Clio lächelte sie beruhigend an.
Inzwischen hatten die anderen Gäste vor der Bühne Platz genommen, und die Manning-Smythes trafen ihre Vorbereitungen für die „Romeo und Julia“-Szene. Ein Balkon aus Pappmaschee, mit künstlichen Efeuranken und Rosen geschmückt, stellte Verona in der Renaissanceepoche dar.
„Musst du denn nicht dein Kostüm anziehen, Thalia?“, fragte Clio.
Scheinbar lässig zuckte Thalia die Achseln. Aber sie zupfte nervös an ihrer rosa Satinschärpe. „Das werde ich nicht tragen. Nur die Worte erzeugen die Dramatik.“
„Damit dürften Sie keine Schwierigkeiten haben, Signorina Thalia“, meinte Marco galant. „Die ‚Antigone‘ ist hochdramatisch. Und Sie eignen sich hervorragend für die Rolle der unglücklichen Prinzessin.“
Misstrauisch starrte sie ihn an. „Wieso wissen Sie das, Conte di Fabrizzi?“
„Weil ich das Theater der Antike studiert habe, und Sie besitzen die Leidenschaft der Antigone, ihre Fähigkeit, richtig zu handeln – obwohl das nicht so leicht ist.“ Er schaute Clio an. „Gilt das nicht für die ganze Familie Chase?“
Thalias Lippen kräuselten sich. „So könnte man es ausdrücken. Wir alle sind ein ständiges Ärgernis. Also haben Sie Theaterwissenschaft studiert, Conte? Wie faszinierend – und nützlich …“
Entschlossen umfasste sie seinen Arm und führte ihn zu den Sitzreihen vor der Bühne. Clio folgte ihnen und malte sich aus, wie er im Amphitheater stehen würde, in der Rolle des Hämon.
„‚O Heimatstadt, o Thebanerland, o Götter der Ahnen! Man schleppt mich dahin, ohne Zögern, o weh! Ihr Männer, ihr Edlen thebanischen Lands, seht her, was ich leide, seht her, von wem! Die die Letzte ich bin aus dem Königshaus, weil ich Heiliges heilig gehalten.‘“
Edward beobachtete, wie Thalia Chase ihre dramatische Szene beendete. Die Hände gefaltet, blickte sie in die Ewigkeit. Eine gute Schauspielerin, dachte er. Obwohl sie ein stilvolles rosa-weißes Musselinkleid und eine Perlenkette trug, hatte er für einen Augenblick vergessen, wo er sich befand. Mit bewegenden Worten, den Kopf würdevoll erhoben, hatte sie ihn aus der modernen Welt entführt, ins alte Griechenland – ein Reich voller widersprüchlicher Prinzipien, strenger Götter, edelmütiger junger Frauen, unbeugsamer Könige und zerstörter Liebe.
Wie das angespannte Schweigen im Salon verriet, hatte Thalias Talent nicht nur ihn erschüttert. Nach einer langen, atemlosen Pause brach stürmischer Applaus los. Thalia knickste freudestrahlend. Zu schade, dass sie eine Chase ist, die Tochter eines Baronets, dachte Edward, während er ebenfalls Beifall klatschte. Sonst würde sie auf einer Londoner Bühne Triumphe feiern.
Er sah, wie Clio mit ihrem Vater sprach und voller Stolz auf ihre Schwester lächelte. In Edwards Brust entstand ein seltsamer Schmerz. Wie musste man
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