Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
nicht“, sagte sie. „Auch nicht, was Sie in Santa Lucia machen. Das alles verstehe ich nicht.“
Edward lachte leise. „Dann haben wir etwas gemein, Clio, denn ich wundere mich genauso wie Sie. Vielleicht ist Ihr Freund ein Verehrer der Göttin Demeter und möchte das Frühlingsfest miterleben?“
„So wie Sie den finsteren Hades verehren?“
„Jetzt kränken Sie mich, meine Liebe. Seit langer Zeit versuche ich Athene zu dienen und mir ihre kühle Weisheit anzueignen. Bedauerlicherweise hilft sie mir nicht.“
„Hat Athene Sie hierhergeschickt? Oder prosaischere Menschen, zum Beispiel die Mitglieder der Antiquities Society?“
„Ebenso wie Sie suche ich neue Ausgrabungsstätten, neue Kunstschätze.“
„Und neue Denkweisen?“
„Auch das. Und in Ihrer Gesellschaft finde ich sie jeden Tag.“
Clio trank ihr Weinglas leer und stellte es auf die Balustrade zurück. „Warum Sie hier sind, wollen Sie mir nicht verraten. Stattdessen warnen Sie mich nur vor ‚Gefahren‘, wie ein delphisches Orakel.“
„Was ich weiß, habe ich Ihnen erzählt. Jedenfalls wäre es klüger, Sie würden nicht mehr allein in Ihrem Bauernhaus arbeiten.“
Sollte sie Begleiter mitnehmen? Obwohl diese stillen Stunden in der Ruine das Einzige waren, das ihr allein gehörte. „O Edward, sicher muss ich niemanden außer Ihnen fürchten.“
Er schenkte ihr ein seltsames Lächeln. „Habe ich nicht bewiesen, dass Ihre Angst vor mir grundlos ist?“
Durch die offene Glastür drang das Geräusch scharrender Stuhlbeine, die Stimmen und das Gelächter klangen etwas lauter. Anscheinend wurden die Kartenpartien beendet. Bald wird man nach mir suchen, dachte Clio.
Sie schaute zur Tür, und als sie sich wieder zu Edward wandte, war sein Lächeln erloschen. Nun sah sie wieder den kühlen, arroganten Duke. Wie viele Masken besaß er?
„Gehen wir hinein?“, schlug er vor und zeigte zum Palazzo. An seinen Fingern funkelten die kostbaren Ringe.
Clio nickte und eilte an ihm vorbei, bevor sie womöglich eine Dummheit machte – ihn küsste und so fest umarmte, dass er ihr nie mehr entrinnen würde.
Im Salon wurde Tee serviert, und die Gäste unterhielten sich etwas leiser. Clio sah Thalia mit ihrem Bewunderer Peter Elliott und ein paar anderen jungen Leuten am Pianoforte stehen, und sie ging zu ihnen. Vielleicht konnte sie ihrer Schwester einreden, nun wäre es an der Zeit, nach Hause zu fahren. Ohne die Begleitung des Dukes, falls sich das arrangieren ließ …
Hinter sich hörte sie die Gastgeberin rufen: „Ah, da sind Sie ja, Averton! Sie müssen mir helfen, ein neues Spiel zu organisieren.“
„Tut mir leid, Lady Riverton, bei Partyspielen bin ich ein hoffnungsloser Fall“, protestierte er leichthin. „Meine Freunde lassen mich niemals an ihren Scharaden teilnehmen.“
„Keine Bange, das ist keine Scharade, sondern viel lustiger – ein neuer Zeitvertreib, angeblich der letzte Schrei in Paris.“ Eifrig wandte sich Lady Riverton an ihre Gästeschar. „Bitte, kommen Sie alle zu mir!“
Clio ergriff Thalias Arm. „Sollten wir uns nicht verabschieden? Es ist schon ziemlich spät.“
„O nein!“, widersprach Thalia. „Noch nicht, bitte, Clio. Warten wir ab, was das für ein neues Spiel ist. Wenn es langweilig ist, gehen wir.“
Widerstrebend nickte Clio, denn sie wollte ihre Schwester nicht enttäuschen. „Aber wir schauen uns nur noch dieses eine Spiel an, weil eine alte Dame wie ich ihre Nachtruhe braucht.“
Thalia lachte und zog sie zum Kamin, vor dem Lady Riverton in ihrem wuchtigen Samtsessel saß. Hinter ihr stand Edward, die Hände mit den glitzernden Ringen in die Hüften gestützt. Sein Gesicht drückte zynisches Amüsement aus. Aber Clio bemerkte eine argwöhnische Anspannung in seinen breiten Schultern. Auch ihr eigenes Misstrauen wuchs, als sie sich mit Thalia auf ein Sofa setzte. Nach ihrer Ansicht waren Partyspiele reine Zeitverschwendung.
„Nun, dieses Spiel heißt ‚Wahrheit‘“, verkündete Lady Riverton. „Und es ist ganz einfach. Diese Regeln wird jeder verstehen“, betonte sie und warf der kichernden Susan Darby einen kurzen Seitenblick zu. „Davon erzählte mir der liebe Mr. Frobisher, als er von seiner letzten Reise nach Frankreich zurückkehrte.“
Lächelnd nickte Mr. Frobisher, der neben der Gastgeberin saß. „Ja, ein äußerst unterhaltsames Spiel! Dabei erfährt man die schrecklichsten Dinge über seine Freunde.“
„Das klingt wirklich nicht langweilig, Clio“, wisperte
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