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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Er setzte sich an das Instrument und klimperte leise vor sich hin – eine seltsam melancholische kleine Melodie. Die beiden Beschäftigungstherapeuten, Mr Baumgarten und Mr Lacy, sowie Dr. Maverick sagten gute Nacht und verließen den Raum. Walter knipste eine Leselampe an, und mit einem Knistern ging die Hälfte aller Lichter aus.
    »Dieser verdammte Schalter ist immer noch kaputt«, knurrte er. »Ich geh eine neue Sicherung einschrauben.«
    Er verließ die Halle, und Carrie Louise murmelte: »Wally ist so geschickt mit elektrischen Geräten und solchen Sachen. Wisst ihr noch, wie er den Toaster repariert hat?«
    »Das ist aber auch das Einzige, was er hier leistet«, sagte Mildred Strete. »Mutter, hast du dein Tonikum genommen?«
    Miss Bellever wirkte verärgert. »Du meine Güte, das habe ich heute völlig vergessen.« Sie sprang auf, ging ins Speisezimmer und kam mit einem Glas zurück, das eine kleine Menge einer rosa Flüssigkeit enthielt.
    Carrie Louise lächelte schwach und streckte gehorsam die Hand aus.
    »So ein scheußliches Zeug, und niemand lässt zu, dass ich es vergesse«, sagte sie und verzog das Gesicht.
    Völlig unerwartet sagte Lewis Serrocold: »Ich glaube, du solltest das heute Abend nicht nehmen, meine Liebe. Ich bin mir nicht sicher, ob es dir bekommt.«
    Ruhig, aber mit der für ihn so typischen beherrschten Energie nahm er Miss Bellever das Glas aus der Hand und stellte es auf die große walisische Eichenkommode.
    »Also wirklich, Mr Serrocold«, sagte Miss Bellever scharf, »ich verstehe Sie nicht. Mrs Serrocold geht es viel besser, seit sie –«
    Sie brach ab und drehte sich unvermittelt um.
    Die Vordertür wurde aufgestoßen und krachte gegen die Wand. Edgar Lawson kam in die düstere Halle wie ein großer Mime bei einem triumphalen Auftritt.
    Er blieb in der Raummitte stehen und warf sich in Pose. Es war fast lächerlich – aber nur fast. Theatralisch sagte er: »So habe ich dich doch gefunden, o mein Feind!« Dabei sah er Lewis Serrocold an.
    Mr Serrocold wirkte einigermaßen verblüfft. »Was ist denn los, Edgar?«
    »Das fragen Sie mich – Sie! Sie wissen ganz genau, was los ist. Sie haben mich die ganze Zeit betrogen, mich bespitzeln lassen, gemeinsam mit meinen Feinden gegen mich gearbeitet.«
    Lewis fasste ihn am Arm.
    »Na, na, nun reg dich mal nicht so auf, mein lieber Junge. Erzähl mir alles, in aller Ruhe. Komm, wir gehen in mein Arbeitszimmer.«
    Er ging mit ihm ans Ende des Raums und durch die rechte Tür, die er hinter sich schloss. Dann hörte man noch ein anderes Geräusch, das Knirschen eines Schlüssels im Schloss.
    Miss Bellever sah Miss Marple an, beide hatten denselben Gedanken. Es war nicht Lewis Serrocold, der den Schlüssel umgedreht hat.
    »Meiner Meinung nach«, sagte Miss Bellever schneidend, »steht dieser junge Mann kurz davor, den Verstand zu verlieren. Das ist gefährlich.«
    »Er ist ein sehr labiler junger Mann«, sagte Mildred, »und absolut undankbar, wo doch so viel für ihn getan wird. Du solltest mal ein Machtwort sprechen, Mutter.«
    Leise seufzend murmelte Carrie Louise: »Aber er ist doch völlig harmlos. Er hängt an Lewis. Er hängt sehr an ihm.«
    Miss Marple sah sie neugierig an. Von Anhänglichkeit war in Edgars Ausdruck nichts zu bemerken gewesen, als er kurz zuvor auf Lewis Serrocold losgegangen war. Ganz im Gegenteil. Wieder einmal fragte sie sich, ob Carrie Louise bewusst die Augen vor der Realität verschloss.
    »Er hatte was in der Tasche«, sagte Gina warnend. »Edgar, meine ich. Hat damit gespielt.«
    Stephen nahm die Hände von den Tasten und sagte leise: »Im Film wär's ein Revolver.«
    Miss Marple hüstelte. »Wissen Sie, ich glaube, es war ein Revolver.«
    Die Stimmen hinter der geschlossenen Tür von Lewis' Arbeitszimmer waren deutlich zu hören gewesen. Nun konnte man sogar verstehen, was gesagt wurde. Edgar Lawson schrie, während Lewis Serrocold bemüht war, seinen gleichmütigen, sachlichen Tonfall beizubehalten.
    »Lügen, Lügen, lauter Lügen. Du bist mein Vater. Ich bin dein Sohn. Du hast mir meine Rechte genommen. Mir müsste das alles hier gehören. Du hasst mich – du wolltest mich loswerden!«
    Lewis äußerte leise etwas Beschwichtigendes, doch daraufhin wurde die hysterische Stimme des anderen noch lauter. Er schrie wüste Beschimpfungen heraus. Offenbar verlor er zusehends die Beherrschung. Gelegentlich sagte auch Lewis ein paar Worte: »Ruhig … beruhige dich... nichts davon ist wahr, das weißt du doch.«

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