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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Bruder Christian« und »meinem Bruder, Mr Gulbrandsen« gesprochen.
    »Und was macht die kleine Gina?«, sagte Gulbrandsen und wandte sich der jungen Frau zu. »Ihr seid also immer noch hier, du und dein Mann?«
    »Ja. Wir sind sozusagen sesshaft geworden, nicht wahr, Wally?«
    »Sieht ganz so aus«, sagte Wally.
    Gulbrandsens kleine, kluge Augen musterten Wally, der wie immer verdrossen und unfreundlich war. »Da bin ich ja wieder mit der ganzen Familie vereint«, sagte er.
    Er gab sich betont fröhlich, aber in Wirklichkeit, dachte Miss Marple, war er alles andere als fröhlich. Er hatte einen bitteren Zug um den Mund, und seine Gesten verrieten, dass ihn irgendetwas bedrückte.
    Als er Miss Marple vorgestellt wurde, fasste er sie scharf ins Auge, wie um den Neuankömmling zu taxieren.
    »Wir hatten ja keine Ahnung, dass du in England bist, Christian«, sagte Mrs Serrocold.
    »Nein, ich musste ganz unerwartet aufbrechen.«
    »Zu dumm, dass Lewis nicht da ist. Wie lange kannst du bleiben?«
    »Ich wollte morgen wieder abreisen. Wann kommt Lewis denn zurück?«
    »Morgen Nachmittag oder Abend.«
    »Da werde ich wohl noch eine Nacht länger bleiben müssen.«
    »Wenn du uns doch nur Bescheid gegeben hättest –«
    »Meine liebe Carrie Louise, das hat sich alles von einer Stunde auf die andere ergeben.«
    »Bleibst du noch, bis Lewis wiederkommt?«
    »Ja, ich muss ihn unbedingt sprechen.«
    Miss Bellever sagte zu Miss Marple: »Mr Gulbrandsen und Mr Serrocold sind Treuhänder des Gulbrandsen-Instituts. Die anderen beiden sind der Bischof von Cromer und Mr Gilfoy.«
    Demnach war Christian Gulbrandsen wohl wegen geschäftlicher Dinge im Zusammenhang mit dem Gulbrandsen-Institut nach Stonygates gekommen. Miss Bellever und alle anderen nahmen dies offenbar an. Dennoch machte sich Miss Marple so ihre Gedanken.
    Das eine oder andere Mal, wenn sie nicht hersah, warf der alte Mann Carrie Louise einen nachdenklich forschenden Blick zu – einen Blick, der wiederum Carrie Louises Freundin Rätsel aufgab. Von Carrie Louise ließ er seinen Blick zu den anderen wandern, musterte sie einzeln und alle zusammen mit einer latent abschätzigen Neugier, die höchst merkwürdig anmutete.
    Nach dem Tee zog sich Miss Marple taktvoll in die Bibliothek zurück, doch als sie sich mit ihrem Strickzeug niedergelassen hatte, kam zu ihrer nicht geringen Überraschung Christian Gulbrandsen herein und setzte sich neben sie.
    »Sie sind eine alte Freundin unserer lieben Carrie Louise?«, fragte er.
    »Wir sind in Italien zusammen zur Schule gegangen, Mr Gulbrandsen. Vor vielen, vielen Jahren.«
    »Ach so. Und Sie mögen sie?«
    »Ja, sehr«, sagte Miss Marple herzlich.
    »Wie wohl alle hier. Ja, das glaube ich wirklich. So sollte es auch sein. Sie ist ein äußerst liebenswerter, bezaubernder Mensch. Seit mein Vater sie geheiratet hat, haben ich und meine Brüder sie ins Herz geschlossen. Sie war für uns wie eine geliebte Schwester. Sie war meinem Vater eine treue Ehefrau und unterstützte ihn in all seinen Ideen. Sie hat nie an sich selbst gedacht, sondern immer vor allem das Wohl der anderen im Auge gehabt.«
    »Sie war schon immer eine Idealistin«, sagte Miss Marple.
    »Eine Idealistin? Ja. Ja, das stimmt. Und deshalb ist es durchaus möglich, dass sie das Böse, das es in der Welt gibt, nicht richtig einzuschätzen weiß.«
    Miss Marple sah ihn verwundert an. Seine Miene war sehr ernst.
    »Sagen Sie mir«, sagte er, »wie steht es um ihre Gesundheit?«
    Abermals hatte Miss Marple Grund zur Verwunderung.
    »Soviel ich weiß, geht es ihr sehr gut – abgesehen von der Arthritis oder dem Rheuma.«
    »Rheuma? Ach ja. Und ihr Herz? Ist ihr Herz in Ordnung?«
    »Soviel ich weiß, ja.« Miss Marple wunderte sich immer mehr. »Aber bis gestern hatte ich sie viele Jahre nicht mehr gesehen. Wenn Sie Genaueres wissen möchten, sollten Sie vielleicht jemanden im Haus fragen. Miss Bellever zum Beispiel.«
    »Miss Bellever – Ja, Miss Bellever. Oder Mildred?«
    »Oder Mildred, sicher.«
    Miss Marple war ein bisschen verlegen geworden.
    Christian Gulbrandsen sah sie durchdringend an. »Zwischen Mutter und Tochter herrscht nicht allzu viel Sympathie, oder?«
    »Nein, das kann man nicht sagen.«
    »Ganz meine Meinung. Es ist ein Jammer – ihr einziges Kind. Aber so ist es nun mal. Und diese Miss Bellever, die ist ihr doch treu ergeben?«
    »Unbedingt.«
    »Und Carrie Louise verlässt sich auf Miss Bellever?«
    »Ich denke schon.«
    Christian Gulbrandsens

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