Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
einen und die Füße der anderen. Es sieht aus, als wär's ein und dieselbe Person, aber es sind zwei. Und das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass es auch umgekehrt gehen müsste.«
    »Zwei Menschen, die in Wirklichkeit nur einer sind?« Inspektor Curry war der Verzweiflung nahe.
    »Ja. Nicht lange. Wie lange hat Ihr Constable im Park gebraucht, um ins Haus und zurück zu laufen? Zwei Minuten und fünfundvierzig Sekunden, stimmt's? Hier ginge es noch schneller. Es würde keine zwei Minuten dauern.«
    »Was würde keine zwei Minuten dauern?«
    »Der Zaubertrick. Der Trick, bei dem es nicht um zwei, sondern nur um eine Person geht. Da drin – im Arbeitszimmer. Wir sehen ja nur den sichtbaren Teil der Bühne. Hinter der Bühne ist die Terrasse mit ihrer Reihe von Fenstern. Ganz einfach, wenn zwei Personen im Arbeitszimmer sind, das Fenster zu öffnen, hinauszusteigen, über die Terrasse zu laufen (die Schritte, die Alex gehört hat), durch die Seitentür ins Haus zu gehen, Christian Gulbrandsen zu erschießen und wieder zurückzulaufen. Unterdessen spielt die Person im Arbeitszimmer beide Rollen, sodass wir alle absolut sicher sind, dass da zwei Menschen drin sind. Was die meiste Zeit auch der Fall war, aber nicht während einer kurzen Zeitspanne von weniger als zwei Minuten.«
    Inspektor Curry fand seinen Atem und seine Stimme wieder. »Wollen Sie damit sagen, dass Edgar Lawson über die Terrasse gerannt ist und Gulbrandsen erschossen hat? Dass Edgar Lawson versucht hat, Mrs Serrocold zu vergiften?«
    »Aber, mein lieber Inspektor, es hat ja überhaupt niemand versucht, Mrs Serrocold zu vergiften. Hier kommt jetzt das Ablenkungsmanöver ins Spiel. Jemand hat sich höchst raffiniert die Tatsache zunutze gemacht, dass Mrs Serrocolds Arthritis-Beschwerden den Symptomen einer Arsenvergiftung nicht unähnlich waren. Das ist der alte Zauberkünstlertrick, einem eine bestimmte Spielkarte zu suggerieren. Es ist ganz einfach, ein Fläschchen Medizin mit Arsen zu präparieren, ganz einfach, einem angefangenen, mit Maschine geschriebenen Brief noch ein paar Zeilen hinzuzufügen. Aber der wahre Grund dafür, dass Mr Gulbrandsen unangemeldet hier auftauchte, war der nächstliegende – irgendetwas im Zusammenhang mit der Gulbrandsen-Stiftung. Also letzten Endes Geld. Angenommen, es wären Gelder veruntreut worden – sehr große Summen –, auf wen würde dann der Verdacht fallen? Es kommt nur einer in Frage –«
    Inspektor Curry erschrak. »Lewis Serrocold?«, murmelte er fassungslos.
    »Lewis Serrocold …«, bestätigte Miss Marple.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
    G ina Hudd schrieb einen Brief an ihre Tante, Mrs Van Rydock:
     
    »Du siehst also, liebste Tante Ruth, die ganze Geschichte war der reinste Alptraum, vor allem das Ende. Ich habe dir alles über di e sen komischen Edgar Lawson erzählt. Er hatte immer etwas K a ninchenhaftes – und als der Inspektor anfing ihn zu vernehmen und seinen Widerstand zu brechen, verlor er völlig die Nerven und schlug Haken wie ein Kaninchen. Er hat einfach die Nerven verl o ren und ist losgerannt – buchstäblich gerannt. Er ist aus dem Fen s ter gesprungen und ums Haus herum und die Auffahrt hinunterg e laufen, und als ein Polizist ihm den Weg abschnitt, hat er einen Haken geschlagen und ist, so schnell er konnte, zum See gerannt. Er ist in das alte Ruderboot gesprungen, das da seit Jahren vor sich hin fault, und auf den See hinausgerudert. Ein völlig irres, sinnloses Unterfangen natürlich, aber wie gesagt, er war wie ein Kaninchen in Todesangst. Und dann rief Lewis ihm laut zu: ›Das Boot ist doch verfault!‹ und rannte ebenfalls zum See. Das Boot ging unter, und Edgar strampelte im Wasser herum. Er konnte nicht schwimmen. Lewis sprang hinein und schwamm los. Er erreichte ihn auch, aber sie waren beide in Schwierigkeiten, weil sie ins Schilf gerieten. Einer von den Männern des Inspektors ging mit einem Strick um den Bauch ins Wasser, aber auch er verhedderte sich in den Wasse r pflanzen, und sie mussten ihn wieder ans Ufer ziehen. Tante Mil d red sagte ziemlich albern: ›Sie werden ertrinken – sie werden e r trinken – sie werden beide ertrinken...‹, und Grandam sagte nur: ›Ja.‹ Ich kann dir nicht beschreiben, was sie in dieses eine Wort gelegt hat. Nur ›JA‹, und es durchfuhr einen wie – wie ein Schwert.
    Du findest mich albern und melodramatisch? Wahrscheinlich bin ich es. Aber es hat wirklich so geklungen...
    Und dann – als alles vorbei war und sie die

Weitere Kostenlose Bücher