Fatal Error
B2C-Websites aus der Mode; jeder wollte B2B. B2C hieß Business-to-Consumer, also direkte Online-Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen und Endverbrauchern, B2B war Business-to-Business, also Online-Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen oder Händlern. Ninetyminutes war B2C.
Am folgenden Montag riet uns Bloomfield Weiss, den Börsengang noch zwei Monate aufzuschieben, bis die Märkte sich erholt hätten. Es handelte sich um einen Ratschlag jener Art, bei der man keine andere Wahl hat als anzunehmen.
Damit hatten wir ein Problem. Wir hatten große Pläne, aber kein Geld, um sie zu finanzieren. Guy und Owen konnten ein bisschen helfen. Durch die Auflösung des väterlichen Vermögens hatte jeder von ihnen eine Million Pfund erhalten, aber das reichte nicht weit, wir hatten mit vierzig gerechnet. Also suchten Guy und ich Henry auf.
Er begrüßte uns freundlich in seinem Büro in Mayfair. Doch trotz seines Lächelns stand eine steile Falte auf seiner Stirn. Er war nervös. Kein gutes Zeichen.
Henry hatte an den Verhandlungen mit Bloomfield Weiss über die Verschiebung des Börsengangs teilgenommen und wusste, dass wir Geld brauchten. Trotzdem legte ich ihm unsere finanzielle Situation in allen Einzelheiten dar und berichtete ihm von dem Rat, den wir von Bloomfield Weiss erhalten hatten. Ich erläuterte ihm die Prognosen für die nächsten sechs Monate, die schon die Einsparungen berücksichtigten, die ich Guy abgerungen hatte. Wir brauchten zehn Millionen, um über den Oktober zu kommen. Dann war der Börsengang vorgesehen.
Henry hörte aufmerksam zu. Als ich fertig war, fuhr er sich durchs schüttere Haar. »Leider habe ich eine schlechte Nachricht«, sagte er. »Die Antwort lautet nein.«
»Was?«, rief Guy aus.
»Ich sollte das wohl erklären.«
»Das sollten Sie in der Tat.«
»Wir hatten gestern eine Besprechung, auf der wir die neuesten Markttrends erörtert haben. Wir glauben, es hat ein grundlegender Wandel stattgefunden. In schlechten Zeiten wie diesen neigen Venture-Kapital-Gesellschaften dazu, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen. Den Fehler wollen wir vermeiden. Die Botschaft an alle Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, lautet also:
Haltet euer Geld zusammen. Von uns bekommt ihr keines mehr.«
»Aber das ist absurd! Wenn Sie uns keine Mittel geben, sind wir bankrott. Und wenn Sie uns welche geben, verdienen Sie mindestens hundert Millionen Pfund.«
»Und wenn sich der Aktienmarkt im Laufe des Sommers nicht erholt? Was ist dann? Sollen wir dann noch mal zehn Millionen hineinbuttern?«
Guy zwang sich zur Ruhe. »Das Geschäft läuft genau so, wie wir prophezeit haben. Besser sogar. Unsere Sites in Deutschland und Frankreich sind ein Renner. Ich würde mich nicht wundern, wenn Deutschland im nächsten Jahr Großbritannien überholen würde. Die Besucherzahlen steigen nach wie vor, letzten Monat sind wir über die Vierzig-Millionen-Grenze gesprungen. Der Verkauf ist noch ein Verlustgeschäft, aber unsere eigene Marke läuft gut. Gehen Sie irgendwo in England eine Straße entlang, und Sie sehen Leute T-Shirts und Sweatshirts mit dem ninetymmutes.com-Logo tragen. Unsere Marke wird zum Begriff, Henry. Und gute Marken, die viele hundert Millionen wert sind, kann man nur mit Geld aufbauen.«
»Ich weiß, aber ich kann Ihnen nichts geben. Firmenpolitik, sorry.« Henry blickte mich an. »Tut mir wirklich Leid, David. Ich verstehe das alles. Ich habe mich für euch eingesetzt, glaub mir. Doch wir sind eine Partnerschaft, und ich muss mich an die Entscheidungen der Partnerschaft halten. Kein Geld mehr.«
»Lassen Sie mich mit Ihren Partnern sprechen«, sagte Guy. »Ich überzeuge sie.«
»Sinnlos«, sagte Henry, und seine Stimme kühlte sich merklich ab.
»Geben Sie mir die Möglichkeit, am Telefon mit ihnen zu reden.«
Ich legte Guy die Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen. Henry war unser Verbündeter bei Orchestra. Wenn wir ihn übergingen, hatten wir nicht die geringste Chance, das zu bekommen, was wir haben wollten. »Also, was schlägst du vor?«, fragte ich ihn.
Henry hob die Hände. »Was soll ich sagen? Die Welt hat sich verändert. Leichtes Geld gibt es nicht mehr. Schnallt den Gürtel enger. Spart Geld. Macht Gewinne.«
»Aber das heißt, dass wir in dem Augenblick in die Bremsen gehen, wo wir im Begriff sind, die Führung zu übernehmen«, sagte Guy. »Das hier ist ein Rennen. Wenn wir abbremsen, verlieren wir.«
Wir hatten also ein echtes Problem, daher setzten Guy und ich uns
Weitere Kostenlose Bücher