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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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starrte in sein Bier. Ich starrte Guy an.
    Schließlich hob er den Kopf und blickte mich an. Seine Augen, die gewöhnlich so strahlend und ruhig waren, wirkten unstet und zögernd. »Ich weiß nicht, was ich tue, wenn Ninetyminutes es nicht schafft.«
    In diesem Augenblick begriff ich. Begriff, welch verwundbaren Kern Guy hatte. In den vielen Jahren, die wir uns kannten, hatte ich es hin und wieder geahnt. Trotz des Erfolgs, trotz der Freunde, der Beliebtheit, der Frauen, der sportlichen Fähigkeiten und des Geldes glaubte Guy nicht an sich. Ninetyminutes war sein letzter Versuch, eine feste Schutzmauer um diesen Kern zu bauen. Rund ein Jahr lang hatte es geklappt, doch nun fing die Mauer an zu bröckeln. Guy war wieder weich, verwundbar und ungeschützt.
    Er konnte nur überleben, wenn Ninetyminutes Erfolg hatte.
    Guy sah mich an. Er wusste, dass ich es wusste.
    Als ich nach Hause kam, öffnete ich noch eine Bierflasche und ließ mich in einen Sessel fallen. Ich hatte Mühe, mich nicht von Guys Verzweiflung anstecken zu lassen.
    Meine Augen ruhten auf dem Telefon. Eine unangenehme Aufgabe wartete an diesem Abend noch auf mich. Es war eine jener Aufgaben, die immer schwieriger werden, je länger man sie aufschiebt, daher beschloss ich, sie sofort hinter mich zu bringen. Ich rief meine Eltern an.
    Zum Glück meldete sich mein Vater. Er klang erwartungsvoll.
    »Hast du es Mum erzählt?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete er. »Um die Wahrheit zu sagen, sie war ein bisschen verschnupft. Ich weiß nicht, warum. Sie glaubt wohl, ich wäre ein zu großes Risiko eingegangen. Sie meinte, auch wenn es am Ende gut ausgegangen ist, hätte ich es nicht tun dürfen. Wir zeigen es ihr, nicht wahr?«
    »Vielleicht nicht, Dad.«
    »Was soll das heißen?«
    »Du hast sicher gelesen, dass der Börsengang verschoben worden ist.«
    »Ja, aber doch nur um eine Woche, oder? In der Zeitung stand, es handle sich nur um eine kleine Korrektur. Der Markt werde bald wieder loslegen.«
    »Na, dann soll er sich beeilen«, sagte ich. »Denn vorher findet kein Börsengang statt.«
    »Oh«, sagte mein Vater und vergegenwärtigte sich die Konsequenzen. »Und was bedeutet das für Ninetyminutes?«
    »Große Geldknappheit«, sagte ich. »Ich glaube zwar nicht, dass wir Pleite gehen, jedenfalls nicht in den nächsten Monaten, aber es bedeutet doch, dass wir keine Mittel mehr haben, um in das Unternehmen zu investieren. Alles, was wir tun können, ist, auf bessere Zeiten zu hoffen.«
    »Das wird deiner Mutter nicht gefallen.«
    »Stimmt. Du solltest es ihr trotzdem sagen, Dad.« »Vielleicht warte ich damit lieber zwei Wochen. Man weiß nie, was passiert.«
    »Sag es ihr, Dad.«
    Mein Vater klang ziemlich mutlos. »Okay«, sagte er. »Und viel Glück.«
    Ich arbeitete lange. Guy war schon fort. Ich wusste nicht, ob er noch ein Treffen hatte oder nach Hause gegangen war. Meine Aufmerksamkeit wurde vollständig von einer Tabellenkalkulation in Anspruch genommen, mit deren Hilfe ich herausfinden wollte, wie viel Geld Amy für den Online-Verkauf im Laufe des Sommers benötigen würde. Plötzlich fühlte ich mich beobachtet. Als ich aufsah, erblickte ich Ingrid, die auf Guys Stuhl saß und mit einer Strähne ihres haselnussbraunen Haars spielte.
    »Störe ich?«, fragte sie.
    »Nein.« Ich blickte auf die Papiere vor mir, die für viele Stunden unerledigter Arbeit standen, Arbeit, die sich in der Hektik der normalen Bürozeiten nicht erledigen ließ. »Das heißt, eigentlich schon, aber ich lasse mich gerne stören.«
    »Gestresst?«
    Ich lächelte. »Ja. Ich bin gestresst. Und müde. Komisch, die Arbeit hat mir überhaupt nichts ausgemacht, solange ich dachte, wir stünden direkt vor dem Börsengang. Aber jetzt, wo’s ums Überleben geht, ist es viel schwieriger.«
    »Wie steht’s mit dem Börsengang?«
    »Er kommt im Sommer«, sagte ich. »Wir müssen nur die beiden nächsten Monate überstehen. Bloomfield Weiss glaubt, wir haben gute Aussichten, und die Site läuft hervorragend.«
    Ingrids blassblaue Augen blickten mich unverwandt an. »Ist das deine ehrliche Meinung?«
    Ich seufzte. »Ich weiß nicht, was meine ehrliche Meinung ist. Alles ist möglich. Es könnte so laufen.
    Bloomfield Weiss könnte sich aber auch gründlich irren, und wir kriegen nie unseren Börsengang. Vielleicht gibt uns niemand mehr einen einzigen Penny. Champion Starsat könnte morgen kommen und uns kaufen. Die Site könnte baden gehen. Die Online-Verkäufe könnten unsere

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