Fatal Error
hin, um nach einem Ausweg zu suchen. Im Grunde gab es keine andere Möglichkeit, als kleinere Brötchen zu backen. Die Werbekampagne sofort abzubrechen. Alle Personaleinstellungen zu beenden. Die Entwicklung des WAP-Unternehmens in Helsinki einzuschränken. Die Pläne für die Büros in Barcelona, Mailand und Stockholm aufzuschieben. Und zu versuchen, den Verkaufsexpress zu verlangsamen, der mit Volldampf unterwegs war und uns das Geld waggonweise entführte.
Wir informierten das Team. Sie hatten schon so viel erlebt, dass sie auch dieser Schlag nicht erschüttern konnte. Um neunzehn Uhr verzogen sich alle, um bei Smiths eine »Schlechte-Zeiten-Party« zu feiern.
Guy steckte es nicht so gut weg. Im März hatte er sich in absoluter Hochstimmung befunden. Als er sah, wie gut sich Lastminute machte, hatte er die feste Überzeugung gewonnen, Ninetyminutes könne noch besser abschneiden. Unserer Meinung nach war Ninetyminutes bereits die beste Fußball-Site im Internet. Diese Tatsache sollte in wenigen Wochen zu Buche schlagen und uns Geld in rauen Mengen bringen. Guy nahm das als gegebene Tatsache hin und dachte bereits darüber nach, wie er es ausgeben wollte. Jetzt musste er nicht nur die Ziele niedriger stecken, sondern seine Einstellung von Grund auf ändern. Eine Kehrtwendung um 180 Grad: von der Expansion zur Effizienz, von der Wachstumsinvestition zur Kostendämpfung, vom Griff nach den Sternen zur Überlebensstrategie.
Lange nachdem die anderen zu Smiths verschwunden waren, gingen er und ich auf ein Bier hinüber ins Jerusalem.
»Wir schaffen es schon«, sagte ich. »Wir haben es bisher immer geschafft.«
»Ich denke auch. Wenn wir uns beschränken, wie du vorschlägst, kommen wir schon irgendwie zurecht«, sagte Guy. »Aber das ist ja gerade das Schlimme.«
»Wie meinst du das?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich wollte immer entweder einen Riesenerfolg landen oder eine spektakuläre Pleite hinlegen. Mühsam zurechtkommen, bis uns ganz allmählich das Licht ausgeht, ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Es ist wie der Tod im Altenheim.«
»Wir müssen weitermachen.«
»Ach, hör auf, Davo. Du weißt so gut wie ich, dass alles vorbei ist, wenn wir nicht mehr wachsen. Die Konkurrenz wird davonziehen. Champion Starsat macht eine eigene Site auf und überholt uns lässig. Wir werden auf den hinteren Rängen landen.«
Mit Guys Optimismus kam man schon schwer zurecht, mit seinem Pessimismus konnte ich überhaupt nicht umgehen.
»Das kann man nie wissen«, sagte ich. »Vielleicht müssen sich die anderen auch einschränken. Vielleicht zieht der Aktienmarkt wieder an, und Bloomfield Weiss klopft erneut an unsere Tür. Wir müssen einfach weitermachen, Guy.«
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich muss. Du und Ingrid, ihr könntet den Laden sicherlich schmeißen. Vielleicht sollte ich einfach aufhören.«
»Das ist absurd.«
»Das hier wird wieder wie alles andere, was ich in meinem Leben versucht habe. Anfangs läuft alles wie geschmiert, aber dann entgleitet es mir. In der Schauspielschule haben sie mich für ein großes Talent gehalten. Ich sah gut aus. Nach zwei Jahren hätte ich eigentlich hervorragende Angebote bekommen müssen. Bekam ich aber nicht. Stattdessen richtete ich mich beinahe selbst zugrunde.«
»Das hier ist etwas anderes.«
»Wirklich?« Guy blickte mich zweifelnd an. »Ninetyminutes war eine großartige Idee. Ich dachte bis jetzt, ich hätte meine Sache richtig gut gemacht. Ich dachte, wir seien auf dem Weg nach oben. Und was geschieht? Ich fahre es gegen die Wand, wie alles.«
»Jedes erfolgreiche Unternehmen macht schwierige Zeiten durch«, sagte ich.
»Nicht so schwierige.«
»Ja, es ist nicht leicht. Aber glaubst du, dein Vater hätte nie solche Probleme gehabt? Und glaubst du, er hätte aufgegeben?«
»Vergleich mich nicht mit meinem Vater.«
»Warum nicht? Du tust es doch auch.«
Guy antwortete nicht.
»Er war kein Übermensch«, fuhr ich fort. »Er war einfach ein erfolgreicher Immobilienspekulant. Es gibt viele von seiner Sorte. Natürlich hatte er eine gute Nase. Aber er war auch entschlossen. Er schmiss nicht jedes Mal alles hin, wenn die Immobilienpreise einbrachen, oder? Das konnte er nicht, denn sonst hätte er nicht überlebt.«
»Vielleicht hatte er einfach Glück.«
»Glück?« Ich schnaubte höhnisch. »Für sein Glück ist man selbst verantwortlich.«
»Na ja, es sieht jedenfalls so aus, als ob ich meins nicht in den Griff kriege.« Guy
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