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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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seinem Zimmer auf.
    Während der ersten zwei Tage fand ich seine schweigsame massige Gegenwart einschüchternd, gewöhnte mich aber bald daran. Er verständigte sich lieber durch E-Mail als durch das gesprochene Wort. Manchmal erörterten Guy und ich eine halbe Stunde lang irgendein Problem und fanden, wenn wir an unsere Rechner zurückkehrten, eine E-Mail vor, in der uns Owen seine Ansicht zu der Frage mitteilte. Sehr seltsam. Aber man konnte den ganzen Tag anderthalb Meter entfernt von ihm arbeiten, ihn nicht beachten und sicher sein, dass er damit vollkommen einverstanden war.
    Mit der Architektur der Website machte er gute Fortschritte. Doch stillschweigend trug Guy dem Umstand Rechnung, dass Owen ein Problem mit Menschen hatte. Wenn er ein Meeting hatte, wurde er deshalb entweder von Guy oder von mir begleitet. In groben Zügen begriff ich bald, was unsere Website ausmachen würde: Die Host-
    Server in ihren feuerfesten, bombensicheren
    Hochsicherheitstrakten, die Internetverbindungen, die Router, die Proxy-Server, die Firewalls, die Datenbanken. In diesem Stadium war alles noch ziemlich einfach, doch sobald wir anfangen würden, Artikel über das Web zu verkaufen, würde sich der ganze Vorgang auf verwirrende Weise beschleunigen. Owen verstand genug von der Sache, um vorausplanen zu können.
    Ich verbrachte viel Zeit mit den Finanzen. Eben noch machte ich mir Gedanken darüber, ob die Einnahmen 120 oder 180 Millionen Pfund betragen sollten, im nächsten Augenblick suchte ich nach einer Möglichkeit, ein paar Pfund an Druckertoner zu sparen. Guy hatte sich in kurzer Zeit viel Wissen über das Internet-Geschäft angeeignet, doch die finanzielle Seite war ihm verschlossen geblieben. Ich kaufte eine Buchhaltungssoftware und gab sorgsam lange Zahlenketten ein. Dann richtete ich Dateien und kleine Programme ein. Auch ein Geschäftskonto eröffnete ich. Eingehend beschäftigte ich mich mit der Unternehmensstruktur, mit der Frage, wer welchen Anteil von wie vielen Aktien besitzen sollte, wie viele Aktien für künftige Topleute zurückbehalten werden sollten und wie das Unternehmen jetzt und in Zukunft bewertet werden sollte.
    Sorgen machte mir die Gesellschaftervereinbarung. Ich war kein Jurist, aber sie schien mir Löcher aufzuweisen. Mit wachsender Anzahl von Aktionären würde die Vereinbarung an Bedeutung gewinnen. Guy hatte eine Kanzlei an der Hand, die auf Film- und Fernsehverträge spezialisiert war. Erst bekam ich keinen Termin, und als ich einen hatte, antworteten sie nur mit Allgemeinplätzen auf meine Bedenken. Den Gedanken, uns an eine der CityKanzleien zu wenden, die ich kannte, ließen wir gleich wieder fallen, weil die in diesem Stadium viel zu teuer für uns waren. Daher beschlossen wir, uns mit Guys Anwälten abzufinden, bis wir uns kompetentere leisten konnten.
    Ninetyminutes würde zwar nicht wirklich ein »virtuelles« Unternehmen sein, dem aber ziemlich nahe kommen. Besonders in den Anfangsstadien. Wir hatten weder die Zeit noch das Geld, um eigene Fachleute für alle Bereiche einzustellen: Wir mussten Beratungsfirmen in Anspruch nehmen. Am wichtigsten war der Webdesigner. Mandrill hieß die Firma, die Guy ausgewählt hatte. Eines Tages erhielten wir ihren Anruf, dass unser Design fertig sei.
    Das Büro von Mandrill befand sich in einem Loft über einem Textilhändler in einer der kleinen Straßen nördlich der Oxford Street. Ziegelmauern, Rohre, Oberlichter, kostbare kleine Möbelstücke, keine Zwischenwände. Ein zusammengeklappter Miniscooter lehnte neben einer Cappuccinomaschine an der Tür. Drei Gruppen von Mitarbeitern arbeiteten an Computern auf großen schwarzen, geschwungenen Tischen. Zwei Männer und eine Frau begrüßten uns. Die Männer trugen kurz geschorene Kinnbärte, Cargohosen und T-Shirts. Auch die Haare waren kurz geschnitten. Seit neuestem war ich ja zum Anhänger geschorener Köpfe mutiert, aber keiner der beiden Männer hatte die Haare einfach kurz geschoren. Die Frau, deren schwarze Haare mindestens zwei Zentimeter länger als die der Männer waren, trug eine Silberkugel in einer Augenbraue und mindestens sechs Ringe in jedem Ohr. Dagegen sahen Guys schwarze Klamotten und drei Zentimeter langen Haare schrecklich nach 1998 aus. Owen und ich konnten sowieso nicht mithalten.
    Wir drängten uns um einen kleinen Tisch, auf dem ein Projektor stand. Der Leiter der Gruppe, einer der Kinnbärte - er hieß Tommy -, ließ das Licht abdunkeln und schaltete das Gerät ein. Die Seite

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