Fatal Error
Anwältin.«
Das war sie. Die neuen Dokumente machten einen hervorragenden Eindruck auf mich. Da Torsten die ursprünglichen Papiere unterzeichnet hatte, schickte ich ihm die neuen per Kurier nach Hamburg. Guy machte sich keine Sorgen, dass er sich noch nicht gemeldet hatte, aber ich drängte ihn, dass er Torsten Dampf machte. Wir mussten sicher sein, dass wir das Geld bekamen, bevor wir in ein neues Büro zogen und mehr Leute einstellten. Guy hatte keinen Erfolg. Torsten war bis Anfang kommender Woche nicht in der Stadt.
Bei den Einstellungen war uns das Glück hold. Die Medien hatten begonnen, auf die Dot-Com-Welle zu reagieren, und so wollten eine Menge Leute auf den fahrenden Zug aufspringen. Gaz warb Neil an, einen jungen Sportjournalisten von einer Regionalzeitung in den Midlands. Owen trieb irgendwo jemanden auf, den er für würdig befand, mit ihm zusammenzuarbeiten: Sanjay, einen fußballverrückten Programmierer. Als Leiterin des Merchandising stellten wir Amy Kessler ein. Sie war die Freundin einer Freundin von Guy, eine amerikanische Betriebswirtin, die zwei Jahre bei Adidas in Deutschland gearbeitet hatte. Sie schien Furcht erregend kompetent zu sein.
Guy und ich stellten fest, dass wir zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer hatten, daher rief ich meine ExSekretärin bei Gurney Kroheim an. Eigentlich war sie keine Sekretärin, sondern Faktotum für ungefähr acht Mitarbeiter. Sie hieß Michelle und war Australierin. Ich hatte ihre Sorgfalt und Fröhlichkeit in bester Erinnerung. Obwohl wir nicht befreundet waren, hatte ich immer größten Wert auf Fairness ihr gegenüber gelegt, was sich von den meisten meiner Kollegen bei Leipziger Gurney Kroheim nicht behaupten ließ. Als ich ihr erzählte, was für eine Aufgabe sie bei ninetyminutes.com erwartete, war sie sofort Feuer und Flamme, obwohl sie bei uns wesentlich weniger Gehalt bekam.
Wir fanden sogar ein Büro. Es lag in der Britton Street in Clerkenwell. In der Nachbarschaft schossen die Dot-Com- Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Allein in unserem
Gebäude befanden sich noch vier weitere Start-ups. Wichtig für uns: Der Internet-Zugang war ausgezeichnet. Der größte Vorzug aber war der Umstand, dass wir sofort einziehen konnten. So hatten wir Platz genug, um unsere Neueinstellungen unterzubringen.
Mein Vater rief mich an.
»Du hast meinen Scheck noch nicht eingelöst.«
»Nein, Dad.«
»Warum nicht?«
Ich nahm all meinen Mut zusammen. »Ich glaube nicht, dass ninetyminutes.com eine gute Investition für dich ist.«
Das beeindruckte ihn wenig. »Das Urteil darüber solltest du mir überlassen.«
»Ich weiß, aber ... Hör mal, wie viel hast du, abgesehen von diesen Fünfzigtausend, gespart?«
»Das geht dich nichts an. Also sei bitte so freundlich und löse meinen Scheck ein. Ich habe dir immer vertraut, David. Jetzt ist es an dir, mir zu vertrauen.«
Ich zögerte, wog das Für und Wider ab. Ich hatte Recht: Ninetyminutes war ein denkbar ungeeignetes Anlageobjekt für eine sichere Altersrente. Aber auch er hatte Recht: Er hatte einen Anspruch auf mein Vertrauen. Der Markt boomte. Natürlich konnte ich nicht dafür garantieren, dass ninetyminutes.com Erfolg haben würde, ich war mir noch nicht einmal sicher, dass wir die Startfinanzierung bekommen würden, aber ich glaubte an unsere Sache. Und mein Vater wollte keine Garantien.
Ich seufzte. »Okay, Dad. Wenn du dir so sicher bist, löse ich den Scheck heute Nachmittag ein. Danke.«
»Ich danke dir«, sagte er. »Und viel Glück. Ich vertraue dir.«
»Ich weiß.«
Mit dem quälenden Gefühl, einen großen Fehler zu begehen, legte ich auf.
Juli 1981, Côte d’Azur, Frankreich
Ich stand an der Haustür, als das Polizeiauto mit Guy im Fond das Grundstück verließ, gefolgt von Tony in seinem Jeep. Auf der Treppe hörte ich rasche Schritte. Einen Augenblick später gesellten sich Mel und Ingrid zu mir. Sie trugen noch die T-Shirts, in denen sie geschlafen hatten.
»Was ist passiert?«, fragte Mel.
»Sie haben ihn verhaftet.«
»Guy?«
Ich nickte.
»Oh, mein Gott!« Erschrocken riss sie die Augen auf und legte die Hand auf den Mund, als wollte sie einen Schrei ersticken. Noch ein Schock. Ich wusste nicht, wie viele sie verkraften konnte.
Ich berichtete ihnen von Guys Verhaftung.
»Ich kann nicht glauben, dass sie ihn mitgenommen haben«, sagte Mel. »David, du musst ihnen sagen, dass sie sich irren.«
»Ich kann es versuchen. Ich bin sicher, dass er unschuldig ist. Aber ich
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