Fatal Error
bekamen, weil er sie in seine Kartei aufnehmen wollte.«
»Hört sich verheißungsvoll an.«
»Und was passiert jetzt? Ich treffe mich mit Diane vom Casting, die ein Polaroidfoto von mir macht, mir ein paar Zeilen eines idiotischen Dialogs in die Hand drückt, die ich vor einer Kamera sprechen muss, und dann heißt es: >Auf Wiedersehen, wir rufen Sie an.<«
»Eines Tages rufen sie an.«
»Ja, aber an den restlichen Tagen tun sie es nicht. Und wenn dich Diane vom Casting ablehnt, fühlst du dich wie der letzte Dreck. Verstehst du, die lehnen mich ab. Was gefällt ihnen nicht an mir? Meine Stimme? Mein Gesicht? Vielleicht kann ich gar nicht spielen. Vielleicht ist die ganze Sache ein Riesenmissverständnis.«
»Hör auf, Guy. Du schaffst es schon. Du schaffst es immer.«
»Ja, genau das ist es. Ich hab immer Erfolg gehabt. War ich nicht toll in der Schule? Tennis, Fußball, Schulsprecher. Ich dachte, in der Schauspielerei würde es so weitergehen. Ich dachte, das würde sogar mein Vater anerkennen. Doch wenn es in diesem Tempo weitergeht, bekomme ich nie eine Chance. Dafür wird schon Diane vom Casting sorgen.«
»Komm, du brauchst noch ein Bier«, sagte ich und ging zur Bar, um ihm eins zu besorgen. Und wie üblich tat der Alkohol seine Wirkung. Eine halbe Stunde später quatschten wir zwei Italienerinnen an. Guy bekam die hübsche, ich musste mich mit der hässlichen begnügen. Aber es wurde noch ein lustiger Abend.
Als ich in einem Zeitschriftengeschäft nach Private Eye suchte, fiel mir ein Exemplar von Patio World in die Hände. Ich kaufte es, blätterte es ohne Interesse durch und entdeckte im Impressum eine Telefonnummer. Sobald ich wieder an meinem Schreibtisch saß, wählte ich sie, wurde zu Ingrid durchgestellt und fragte sie, ob sie Lust hätte, mit mir ins Kino zu gehen. Wir sahen uns Der mit dem Wolf tanzt an und suchten hinterher ein Thai-Restaurant in Soho auf.
Der Abend ähnelte weniger einem »Date« als einem Treffen zweier Freunde, die sich lange nicht gesehen hatten. Was sehr nett war, vor allem, da wir uns in Wirklichkeit kaum kannten. Ich mochte Ingrid. Sie war erfrischend ehrlich, aber auch sehr verständnisvoll. Sie schien immer zu begreifen, worum es mir ging, ohne dass ich es ihr lange erklären musste. Dabei erwies sie sich als so gute Zuhörerin, dass ich ihr mehr erzählte, als ich eigentlich wollte. Nicht, dass es da irgendetwas Schockierendes mitzuteilen gab, eher im Gegenteil. Aber auch das schien sie zu verstehen.
Wir kamen auf Guy zu sprechen. »Hast du ihn seit diesem Broadhill-Treffen gesehen?«, fragte sie.
»Ja, ich treffe ihn sogar ziemlich oft. Es ist lustig.«
»Er trifft sich auch mit Mel, nicht?«
»Von Zeit zu Zeit.«
»Oh, das hört sich nicht gut an.«
»Für Mel ist es das wohl auch nicht. Für Guy schon.«
»Egoistisches Schwein.« Ihr Kommentar überraschte mich. Ingrid bemerkte es. »Etwa nicht?«
»Vermutlich«, gab ich zu.
»Ich meine, Mel ist total in ihn verschossen. Das war sie schon immer.«
»Auch nach der Geschichte mit Tony in Frankreich?« »Ja. Besonders danach. Du weißt ja, wie sehr sie es bereut hat. Ich glaube, jetzt will sie Guy unbedingt zeigen, dass es ein Fehler war und dass sie es weiß.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was sie alle an ihm finden.«
»Oh, ich schon«, sagte Ingrid, und ein spöttischer Ausdruck tanzte in ihren blassblauen Augen.
»Du auch?«
»Versteh mich nicht falsch. Um nichts auf der Welt möchte ich seine Freundin sein. Ich versichere dir, dass ich Mel nicht beneide. Aber ich weiß nicht, irgendwas hat er, das ...«
»Ich sag’s ihm.«
»Untersteh dich!«
Ich schwieg und jagte mit den Stäbchen ein Stück Curryfisch in meiner Schale umher. Nicht sehr geschickt, aber ich war hungrig. Ich bemerkte, dass Ingrid sich das Essen wie ein Profi in den Mund schob.
»Wie machst du das?«, fragte ich. »Das grenzt an Zauberei.«
»Ich habe es als Kind gelernt. Als ich klein war, haben wir in Sao Paulo gelebt. Da sind wir oft in japanische Restaurants gegangen. Wusstest du, dass es dort eine große japanische Bevölkerungsgruppe gibt? Anschließend haben wir eine Zeit lang in Hongkong gelebt. Auf diese Weise habe ich viel Übung gehabt.«
»Ich leider nicht«, sagte ich und spießte den Fisch auf.
»Mel hat eine schwere Zeit hinter sich«, sagte Ingrid. »Da braucht sie wahrhaftig keinen Guy, der ihr das Leben noch schwerer macht.«
»Das tut er sicherlich nicht.«
»In der Schule hat sie
Weitere Kostenlose Bücher