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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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von ihm dazu, unter anderem Torsten Schollenberger, wenn er in London war.
    Worüber redeten wir? Ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich über allen möglichen Blödsinn. Aus unterschiedlichen Gründen brauchten wir unsere Freundschaft und hatten das Bedürfnis, der Langeweile unserer Tage zu entkommen. Zu fortgeschrittener Stunde begann Guy häufig, Frauen aufzureißen. Gewöhnlich mit großem Erfolg. Er sah gut aus, natürlich, aber er schien auch eine Aura von Gefahr und Aufregung zu vermitteln, die sie faszinierte. Ich versuchte - ohne Erfolg -herauszufinden, welche Sorte Frauen auf ihn flog. Schließlich wurde mir klar, dass es fast alle waren, vorausgesetzt, sie waren in der richtigen Stimmung. Besonders die Neugierigen, denen nach ein bisschen Abwechslung und Abenteuer zumute war, fühlten sich von ihm angezogen. Bei Guy fanden sie Sex, Spaß, Gefahr und absolut keine Aussicht auf eine feste Bindung. Er bot guten Mädchen die Möglichkeit, eine Nacht lang schlecht zu sein.
    Viele ergriffen sie.
    Mit Mel war es anders. Sie war sein Notnagel, jemand, zu dem er gehen konnte, wenn er Lust auf Sex hatte, der Abend jedoch in dieser Hinsicht schlecht gelaufen war. Er schien sich selten mit ihr zu verabreden, doch häufig verdrückte er sich gegen zehn oder elf in ihre Wohnung in Earls Court. Soweit ich es beurteilen konnte, wartete sie dort ständig auf ihn.
    Ganz selten ging sie mal mit uns aus. Sie war immer lebhaft und amüsant, wurde aber von Guy meist ignoriert. Nie war er unhöflich zu ihr, aber nicht selten gleichgültig, was schlimmer war. Die Situation war offenkundig: Mel war in Guy verliebt, und er benutzte sie. Da sie Angst hatte, ihn zu verlieren, beklagte sie sich nicht, sondern fand sich mit seinem Verhalten ab. Hätte ich darüber nachgedacht, wäre mir klar geworden, dass diese Beziehung zeigte, wie egozentrisch Guy war. Doch ich dachte nicht darüber nach.
    Wir flogen zusammen. Sein Vater hatte ihm ein Flugzeug gekauft, eine kostspielige Cessna 182, die sich auf dem Flugplatz Elstree im Norden Londons befand. Die Zulassung lautete GOGJ. Zum Mittagessen machten wir Abstecher nach Le Toquet und Deauville in Frankreich oder zu einem hübschen Grasflugplatz auf einem Hügel gegenüber von Shaftesbury in Dorset. Guy war ein kühner Pilot, der gern fünfzehn Meter über den Wellen oder hundert Meter über Englands Landschaft dahinbrauste.
    Er beschwatzte mich, den Pilotenschein zu machen. Ich lernte auf einer AA-5, einer alten Klapperkiste im Vergleich zu Guys schnittiger Maschine. Während der Ausbildung erfuhr ich, dass es sicherer sei, eine Flughöhe von sechshundert Metern nicht zu unterschreiten, und dass jeglicher Alkohol beim Fliegen strikt verboten sei. Ich war keineswegs überrascht, dass für mich andere Regeln galten als für Guy, doch je vertrauter ich mit der Materie wurde, desto nervöser machte es mich, neben ihm im Flugzeug zu
    sitzen.
    Oberflächlich betrachtet, schien Guy ein tolles Leben zu führen, und es gefiel mir sehr, auf dieser oberflächlichen Basis mit ihm zu verkehren. Doch es ist hart, ein aufstrebender Schauspieler zu sein, sogar ein aufstrebender Schauspieler mit einem wohlhabenden Vater.
    Eines Abends verließ ich Punkt fünf Uhr das Büro, um ihn in einem Pub am Leicester Square zu treffen. Er hatte in der Nähe ein Vorsprechen gehabt und vorgeschlagen, hinterher ein Bier zu trinken. Als ich kam, war er schon da und stierte auf seine Flasche Becks.
    »Sieht so aus, als hättest du die Rolle nicht gekriegt.«
    »Weiß nicht«, sagte er. »Sie haben gesagt, sie rufen mich an. Du musst wissen, sie rufen nur an, wenn du die Rolle kriegst. Also hör ich wahrscheinlich nie wieder was von ihnen.«
    »Kopf hoch, vielleicht bekommst du sie ja doch.«
    »Es ist nur eine Scheißrolle in einem dämlichen Werbespot. Das ist nicht das Wahre, Davo. Das ist erniedrigend.«
    »Irgendwo musst du anfangen.«
    »Ich weiß. Aber ich habe mir das ganz anders vorgestellt. Die Schauspielschule war toll. Die hat mir richtig gut gefallen. In der Mitte der Bühne stehen, jemand anders sein, die Zuschauer in den Bann der Scheinwelt zu ziehen, die du erschaffst, ihre Emotionen manipulieren. Das war irre. Ein echter Macht-Kick. Und gut war ich obendrein. Tschechow, Ibsen, Steinbeck, sogar den verdammten Shakespeare, ich hab sie alle richtig gut draufgehabt. Am Ende des Jahres hatten wir eine Abschlussvorstellung, und ich war einer von nur vier Absolventen der Schule, die einen Anruf von einem
    Agenten

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