Fatales Vermächtnis
Luft, es roch nach Essen, und Lodriks Magen knurrte i trotz der erlittenen Verletzung.
Da es ihn offensichtlich nicht zu Feinden verschlagen hatte, ging er dorthin, wo das Gespräch erklang, und zeigte sich offen. Er war gespannt, wer ihn erwartete, zumal er unbedingt erfahren musste, was in der Zwischenzeit geschehen war. Die Jagd auf Vahidin durfte nicht ins Stocken geraten. Er sah den breiten Rücken eines Mannes, der auf einem Stuhl saß und gestikulierend erzählte. »Und ich sagte.,.«, hörte er noch, dann hielt der Mann inne, wandte sich zu Lodrik um und sprang auf.
»Exzellenz, Ihr seid schon erwacht?«
Lodrik wunderte sich über die ehrenvolle Anrede und näherte sich der Versammlung. Sie bestand aus zwei weiteren Männern und einer Frau, die nicht weiter auffällige Kleidung trugen und keine sichtbaren Waffen mit sich führten. Sie saßen um einen flachen Tisch, auf dem ein Samowar und Gebäckschälchen standen; außerdem dampfte Suppe in einer großen Schüssel. Das Mittagessen war angerichtet.
Die Männer und die Frau erhoben sich und verneigten sich vor ihm, als sei er noch immer der Herrscher über Ulldart. Dann nannten sie ihre Namen.
Lodrik nicke ihnen zu. »Es schmeichelt mir zwar, doch meine Zeiten als Kabcar und weitaus größenwahnsinnigerer Herrscher sind vorbei. Wer seid Ihr?«
Die Frau, die sich als Evlova vorgestellt hatte, warf den Männern einen knappen Blick zu, bevor sie das Wort ergriff. »Wir haben uns nicht deswegen vor Euch verbeugt, Exzellenz. Ihr seid der Hohepriester Vinteras und auserkoren, ihren Glauben zu verbreiten. Jedenfalls wurde uns das zugetragen.«
»Und Ihr gehört demnach zur Schwarzen Sichel...«
Evlova sah belustigt aus, »Nein, Exzellenz. Wir gehören Vinteras Bund an. Unser Wissen kam Euch zupass, auch wenn Ihr unverkennbar von unserer Herrin gesegnet seid. Ein normaler Mensch hätte die Wunden, die wir an Euch sahen, niemals überstehen können. Nicht einmal einen Wimpernschlag lang.« Lodrik betrachtete sie und überlegte, was er über Vinteras Bund wusste. Es war ein Zusammenschluss von Gelehrten und Wundheilern, die sich ausschließlich mit dem wissenschaftlichen Erforschen des menschlichen Körpers und den Mysterien seiner Funktion beschäftigten. Das Sezieren von Toten machte ihn bei den Menschen nicht vertrauenswürdiger, und daher praktizierten die Mitglieder des Bundes im Verborgenen. Es hieß, dass sie oder ihre Häuser geheime Erkennungszeichen trugen. Vier davon schien es in Anslizyn zu geben, und er wollte gar nicht darüber nachdenken, woher sie wussten, dass Vintera ihn zu ihrem Hohepriester ernannt hatte.
»Meinen Dank für Eure Hilfe«, sagte er und setzte sich; die anderen nahmen ebenfalls Platz. »Berichtet mir bitte, was geschehen ist, während ich schlief.«
Evlova goss ihm Tee ein. »Es gab einen Hinweis, dass wir Euch hier finden würden. Es hat sich unter Vinteras Anhängern herumgesprochen, dass wir einen neuen Führer haben. Eure Ankunft in Anslizyn war nicht unbemerkt geblieben, und als die Ereignisse in Koszmans Anwesen gar zu merkwürdig wurden, dachten wir uns, dass Ihr unter Umständen darin verwickelt sein könntet, Exzellenz. Wir waren noch vor der Stadtwache dort, fanden Euch und brachten Euch zu mir. Wir haben Eure Wunden versorgt und Euch Ruhe gegönnt.«
»Ihr wisst, wer Vahidin ist?«
»Der junge Mann mit den vielen Kindern und den silbernen langen Haaren, ja«, antwortete sie. »Wir wissen nicht, wo er abgeblieben ist. Wir haben die Leichen von fünf Kindern gefunden. Und von einer Frau.«
»Bleiben noch zwei der grässlichen Monster«, sagte Lodrik und
kostete vom Tee. Er spürte, wo er den Hals hinabrannte, es brannte etwas, doch er hielt die Schmerzen aus. Um Sainaa tat es ihm leid; außerdem hätte er ihre Dienste gern noch öfter in Anspruch genommen. Eine wichtige Verbündete war zu früh gestorben.
»Wisst Ihr, wohin sie geflüchtet sind?«
Sie schüttelten nacheinander die Köpfe. »Nein. Es gab ein Gefecht zwischen der Stadtwache und Männern, die noch im Anwesen verblieben waren. Keiner von ihnen hat überlebt, heißt es. Sie ließen sich nicht gefangen nehmen, sondern stürzten sich in die eigenen Waffen, als sich ihre Niederlage abzeichnete.«
Lodrik beschrieb Lukaschuk, und Evlova nickte. »Ja, auch er befand sich unter den Toten.«
»Dann kann sich Vahidin allein auf seine Töchter und die Modrak verlassen«, resümierte Lodrik beruhigter. »Er ist schwer verletzt, aber er wird sich erholen.«
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