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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Flusses hinzugeben – der schäumenden grünen Wila, der Fee, die bei Hochwasser ihre nassen Finger nach dem Gemäuer ausstreckte und Wasservipern und Aale als Kundschafter durch die Rohre bis in die Küche schickte.
    Doch Jade wusste es besser. Sie kannte jeden Winkel ihres Heims, sogar die überschwemmten Kellerräume, von denen sich die Wila Jahr für Jahr ein paar weitere Zentimeter eroberte. Längst hatten sich die Flusskrebse dort in zerbrochenen Weinflaschen und mit Algen bewachsenen Regalen eingerichtet. Und einen guten Teil ihrer Mahlzeiten sammelte Jakub hier einfach in den Reusen ein, die er zu diesem Zweck ausgelegt hatte.
    Jade wusste, dass das Herzklopfen des Hauses nichts weiter war als das Klacken des alten Fahrstuhls, abgenutzte Zahnräder, die nur noch schlecht ineinandergriffen und, vom Hall in den leeren Fluren verstärkt, dumpf und pochend durch die Wände klangen. Und das Wimmern von Gespenstern, das manch ein verstörter Gast zu hören glaubte, war nur das quietschende, schleifende Geräusch des altersschwachen Elektromotors oder der mechanischen Notwinde, mit deren Hilfe der Fahrstuhl auch von Hand bewegt werden konnte, wenn es keinen Strom gab. Und es gab so gut wie nie welchen.
    Die richtigen Geister, die es im Hotel gab – denn natürlich gab es sie! –, machten auf ganz andere Weise auf sich aufmerksam.
    Vier Stockwerke und ein steiles Dachgeschoss hatte das Larimar, und Jade und Jakub hatten in jahrelanger Arbeit eines nach dem anderen erobert wie Forscher, die sich durch ein versunkenes Königreich arbeiteten. Sie hatten die Scherben beseitigt, die die Leute der Lady vor fast zwanzig Jahren bei ihrem Sturm auf die Stadt hinterlassen hatten, und die meisten Einschusslöcher verschlossen. Zimmer für Zimmer hatten sie von Trümmern und Staub befreit und wieder wohnlich gemacht. Nicht alle Fensterscheiben hatten sie ersetzen können. Und die Treppe, die das zweite Stockwerk mit dem dritten hätte verbinden sollen, war nach wie vor zerstört. Nur wenn der Fahrstuhl Strom hatte, konnten die Gäste auch in den oberen Zimmern untergebracht werden. Meist aber standen die besonders großen und prächtigen Räume im vierten Stockwerk leer.
    In manchen Zimmern dienten alte Segel und Fischernetze als Gardinen und viele der Möbel sahen aus wie Veteranen mit Holzbeinen. Steine stützten Betten, die nur noch drei Beine hatten, und manch ein Tisch hatte sich in den feuchten Sommernächten verzogen. In fast jedem Bad gab es gesplitterte Kacheln, aber dennoch strahlte jedes der Zimmer eine Schönheit aus, von der die Besucher noch lange schwärmten. Jade kam es so vor, als sei das Haus in den siebzehn Jahren, die sie hier mit ihrem Vater wohnte, Zimmer um Zimmer mit ihr gewachsen, bis es sie in den Nächten umschloss wie eine Festung aus Stein, Stuck und Holz.
    Auch heute, als sie Lilinn durch den schmalen Dienstboteneingang in das Haus folgte, fühlte sie sich erst ganz und gar sicher, als sie den rosagrauen Marmorboden des großen Empfangssaals betrat. Der glatt getretene Stein fühlte sich unter ihren aufgeschürften Sohlen wohltuend kühl an. Vormittagslicht ließ Staubkörnchen durch den Raum tanzen und brach sich in den vier Zierspiegeln aus polierten Bronzescheiben, die Jakubs ganzer Stolz waren. Teppiche lagen aufgerollt an den Wänden und Werkzeug war auf dem Boden vor dem Fahrstuhlschacht verstreut.
    »Wir sind zurück!«, rief Lilinn und warf Jades Rucksack auf einen Stuhl neben der Eingangstür.
    »So früh?« Jakubs Stimme klang dumpf und entfernt wie aus dem tiefsten Keller. Jade hatte vorgehabt, gleich die Treppe hinaufzugehen und Lilinn das Gespräch zu überlassen, aber Jakub war wie immer schneller. Schon hörte sie das Klacken und Schleifen der Mechanik, dann erschien das Gesicht ihres Vaters im Fahrstuhlschacht. Über die Stirn zog sich ein Streifen Maschinenfett und verwandelte die Sorgenfalten in schwarze, scharf gezeichnete Furchen. Jakubs Hände mit den kurzen, kräftigen Fingern waren ebenfalls verschmiert und dunkel. Nur sein Haar und der Bart – dichte Locken, die mehr rötlich als hellbraun schimmerten – hoben sich von dem öligen Schmutz ab.
    »Und? Konntet ihr ein Steuerrelais auftreiben?«, brummte er und kletterte aus dem Schacht. Wie immer sah es aus, als würde ein Erdwesen aus dem Untergrund steigen. Auch heute trug Jakub seine braune Arbeitshose und ein speckiges Lederhemd, das sich über seine breite Brust und die kräftigen Schultern spannte. Er lächelte Jade

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