Faust: Der Tragödie zweiter Teil
allhier zur Schau,
Massiv genug, ein alter Tempelbau.
Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug,
Stehn reihenweis der Säulen hier genug;
Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
Da zweie schon ein groß Gebäude trügen.
ARCHITEKT:
Das wär' antik! Ich wüßt' es nicht zu preisen,
Es sollte plump und überlästig heißen.
Roh nennt man edel, unbehülflich groß.
Schmalpfeiler lieb' ich, strebend, grenzenlos;
Spitzbögiger Zenit erhebt den Geist;
Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.
ASTROLOG:
Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden;
Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden;
Dagegen weit heran bewege frei
Sich herrliche verwegne Phantasei.
Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt,
Unmöglich ist's, drum eben glaubenswert.
ASTROLOG:
Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
Der nun vollbringt, was er getrost begann.
Ein Dreifuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
Schon ahn' ich aus der Schale Weihrauchduft.
Er rüstet sich, das hohe Werk zu segnen;
Es kann fortan nur Glückliches begegnen.
FAUST:
In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt,
Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.
Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
Es regt sich dort; denn es will ewig sein.
Und ihr verteilt es, allgewaltige Mächte,
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
Die einen faßt des Lebens holder Lauf,
Die andern sucht der kühne Magier auf;
In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen,
Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.
ASTROLOG:
Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,
Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum;
Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,
Gedehnt, geballt, verschränkt, geteilt, gepaart.
Und nun erkennt ein Geister-Meisterstück!
So wie sie wandeln, machen sie Musik.
Aus luft'gen Tönen quillt ein Weißnichtwie,
Indem sie ziehn, wird alles Melodie.
Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt,
Ich glaube gar, der ganze Tempel singt.
Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
Ein schöner Jüngling tritt im Takt hervor.
Hier schweigt mein Amt, ich brauch' ihn nicht zu nennen,
Wer sollte nicht den holden Paris kennen!
DAME:
O! welch ein Glanz aufblühender Jugendkraft!
ZWEITE:
Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!
DRITTE:
Die fein gezognen, süß geschwollnen Lippen!
VIERTE:
Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?
FÜNFTE:
Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.
SECHSTE:
Ein bißchen könnt' er doch gewandter sein.
RITTER:
Den Schäferknecht glaub' ich allhier zu spüren,
Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.
ANDRER:
Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!
DAME:
Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.
ritter
Auf seinem Schoße wär' Euch wohl bequem?
ANDRE:
Er lehnt den Arm so zierlich übers Haupt.
KÄMMERER:
Die Flegelei! Das find' ich unerlaubt!
DAME:
Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln.
DERSELBE:
In Kaisers Gegenwart sich hinzuräkeln!
DAME:
Er stellt's nur vor! Er glaubt sich ganz allein.
DERSELBE:
Das Schauspiel selbst, hier sollt' es höflich sein.
DAME:
Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.
DERSELBE:
Er schnarcht nun gleich; natürlich ist's, vollkommen!
JUNGE DAME:
Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,
Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?
ÄLTERE:
Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemüte,
Er kommt von ihm! +
ÄLTESTE:
Es ist des Wachstums Blüte,
Im Jüngling als Ambrosia bereitet
Und atmosphärisch ringsumher verbreitet.
MEPHISTOPHELES:
Das wär' sie denn! Vor dieser hätt' ich Ruh';
Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.
ASTROLOG:
Für mich ist diesmal weiter nichts zu tun,
Als Ehrenmann gesteh', bekenn' ich's nun.
Die Schöne kommt, und hätt' ich Feuerzungen!—
Von Schönheit ward von jeher viel gesungen—
Wem sie erscheint, wird aus sich selbst entrückt,
Wem sie gehörte, ward zu hoch beglückt.
FAUST:
Hab' ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
Der Schönheit Quelle reichlichstens
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